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Heimweh - Weinverse - Klangmeditationen
Ein afrikanischer Liederabend in der Universität Stellenbosch im Rahmen der Reihe Wordfees - Festival der Worte.
Seit Ende der 1990-er Jahre findet in der Universität Stellenbosch im März unter Leitung des Art Centrum das Woordfees statt, ein Festival der Dichtung, Literatur und der Liedkunst – in Afrikaans und zur Förderung der afrikanischen Sprache, wie sie in den Jahrhunderten seit der Besetzung des Cap nach 1652 durch die niederländische Ost-Indien Kompanie entstanden ist und heute noch von etwa 18 Prozent der Bevölkerung gesprochen wird. Gegründet wurde das Woordfees von Dorothea de Zyl mit dem Ziel, die Bedeutung und den Gebrauch der Sprache der Afrikaner zu fördern und in der jungen Generation, besonders unter den Studenten populär zu halten. Die Universität Stellenbosch, um 1859 hervorgegangen aus einem Seminar der Dutch Reformed Church ist eine der drei Universitäten, in der noch in Afrikaans gelehrt wird. Hier studieren heute 68 Prozent Weiße und 30 Prozent Schwarze und Coloured.
An Wordfees, zunächst an Mitglieder der Universität gerichtet, beteiligen sich Studenten und Dozenten der Universität, aber auch freie Schriftsteller, Komponisten und Rezitatoren. Die Lesungen, Diskussionen und Aufführungen sind für alle Interessenten offen, inzwischen hat de Zyl den Ehrgeiz, aus Woordfees ein nationales, ja, internationales Festival für und mit Afrikaans als bedeutender Sprache zu machen.
Ein Liederabend in Afrikaans? Was erwartet die Zuhörer: Volkslieder, einen Brahm-Schubert-Abend in Afrikaans, Medleys aus Oper oder Operette, oder gar einen Schlagerverschnitt? Aus den Vorankündigungen nicht zu entnehmen, schwer zu sagen.
Das Programm des Liederabends ist zum großen Teil dem südafrikanischen Komponisten Hubert du Plessis (1922 – 2011) gewidmet, einem Komponisten, der kaum über Südafrika hinaus bekannt sein dürfte. Ein Teil seines oeuvre ist afrikanischen Liedern gewidmet, deren Texte ebenfalls von du Plessis stammen und unterschiedlichste Themen des weißafrikanischen Alltags aufgreifen.
Mit der Schola Cantorum hat der Leiter des Abends, Rudolf de Beer ein ausgezeichnetes Vokalensemble zur Verfügung. Rund 45 Sängerinnen und Sänger mit guter Ausbildung, zahlreiche von ihnen mit Solistenqualität, tragen a capella Lieder von du Plessis zum Heimweh, Weinverse, Volkslieder, aber auch Klangmeditationen vor. Die Genauigkeit der Einsätze, das Klangvolumen des Chores sowie die gesangliche Harmonie sind bemerkenswert und machen das Zuhören zu einem Genuss. Im Wechsel mit dem Chor erklingt mit ähnlichen Liedern der klare, gut tragende Sopran der Solistin Zanne Stapelberg, am Piano begleitet von José Dias. Fast alle Lieder vermitteln eine getragene, sentimentale, ja, traurige Stimmung, das musikalische Element des Rhythmus fehlt völlig. Das Dirigat von Rudolf de Beer spiegelt das wider: Er führt den Chor mit weiträumigen Bewegungen, die die Bögen und Phrasierungen der Lieder unterstützen oder hervorheben, eine Taktierung ist nicht nötig. Einige Rezitationen haben fast religiösen Charakter, sie leiten zu freien, ebenfalls melancholischen Klangmeditationen über.
Der Liederabend, für Chorliebhaber ein Fest, hinterlässt gleichwohl eine traurig-sentimaentale Stimmung. Obwohl Chormitglieder versichern, dass nur eines der Lieder einen religiösen Inhalt habe, bleibt ein sakraler Grundeindruck erhalten - wollte da jemand predigen?
Die Zuhörer, durchweg weiß und in vorgeschrittenem Alter, empfinden diese wohl anders oder sind mit diesem Grundton einverstanden, freundlicher Schlussapplaus.
Förderung des afrikanischen Liedes, der afrikanischen Sprache? Warum und für wen? Mehrere Befragte äußern sich zurückhaltend, sehr vorsichtig oder hinter vorgehaltener Hand: Es gäbe Diskussionen um den Stellenwert des Afrikaans in der Universität, in der Gesellschaft überhaupt. Welche Gruppierungen dahinter steckten? Psst, nicht laut fragen, aber die versteckten Auseinandersetzungen seien heftig. Auf die Frage, ob das vorgetragene Programm aufgund seines Inhaltes und der übermittelten Empfindungen nicht nur einen sehr konservativen Ausschnitt afrikanischer Musik reflektiere, sagt lediglich eine junge Musikstudentin klar heraus: "Das ist ein sehr konservativer Teil zeitgenössischer Musik.” Aus wissenschaftlichen wie aus politischen Gründen sei es dringend notwendig, die Rolle des Afrikaans, in anderem Zusammenhang auch die Sprache der Unterdrücker genannt – zu thematisieren und zu verändern. - Woordfees 2013?
Horst Dichanz, 15.3.2012, z.Zt. Stellenbosch
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