Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
OTELLO
(Giuseppe Verdi)
Besuch am
19. März 2016
(Premiere)
Blitze zucken. Wie ein aufgeblähtes Segel weht ein riesiger Schleier immer wieder weit über den Orchestergraben. Ein schwarzer Engel versucht ihn zurückzuhalten. Dahinter steht der ängstliche Chor: Atmosphärisch dicht und effektvoll weiß Vincent Boussard mit der anfänglichen Sturmszene aus Giuseppe Verdis Otello im Großen Festspielhaus aufzuregen. Aber damit hat es sich schon! Denn gleich darauf flaut der Wind zu einem flachen Lüftchen ab. Und bald herrscht bei der diesjährigen Opernproduktion der Salzburger Osterfestspiele, anlässlich des 400. Todestag Shakespeares thematisch angesetzt, weitgehend szenische Flaute.
Mehr als um die Personenführung scheint das Leitungsteam um die kühle Designerästhetik der Bilder bemüht zu sein. Auf einer nahezu leeren Bühne von Vincent Lemaire, in historisch stilisierten, aber auch heutigen Kostümen, die vom Designer Christian Lacroix stammen, sind immer sehr dunkel ausgeleuchtete, nüchterne, zeitlose Endzeitarrangements in einem Nichtraummit seltsam verschleierten Videoprojektionen zu sehen. Einzig das Liebesduett findet stimmungsvoll vor Spiegeln, umrahmt von Sternen statt.
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Und immer wieder taucht dieser offensichtlich von Gott verlassene Todesengel auf, der von der Tänzerin Sofia Pintzou dargestellt wird, besonders bei den Schlüsselszenen: So trägt er immer wieder ein Feuer in den Händen, schleppt brennende Kerzen auf einer langen Tafel hin und her, führt die ermordete Desdemona, die, in einer winzigen Kammer stehend, unter ihrem herunterhängenden Brautkleid beten muss und ermordet wird, danach weg und reicht Otello den Degen zum Selbstmord. Alles nicht besonders erhellend und eigentlich entbehrlich. Und so läuft das an sich spannende Drama aus Intrigen, Eifersucht, Mord und Selbstmord wenig packend ab.
Das liegt auch daran, dass der für Johan Botha eingesprungene José Cura einen Titelhelden darstellen muss, der keine Entwicklung durchmacht. Szenisch beinahe emotionslos, mit hängenden Schultern durch das Bild zu schleichen, ohne jegliche Wutausbrüche, ist zu wenig. Auch sängerisch stemmt er zwar gekonnt einige Spitzentöne, in den tieferen Lagen klingt er jedoch unschön, vibratoreich und hat leichte Intonationsprobleme. Dorothea Röschmanns Timbre ist gewöhnungsbedürftig, erst zum Finale weiß sie als Desdemona innig zu berühren. Carlos Álvarez, eingesprungen für Dmitri Hvorostovsky, ist ein eleganter Jago und singt den fast zu nobel. Er wird als Intrigant ohne Dämonie gezeigt. Benjamin Bernheim weiß als Cassio mit wunderbarem, frischem Tenor zu begeistern. Auch Christa Mayer als Emilia gefällt sehr. Georg Zeppenfeld ist eine markanter Lodovico, Bror Magnus Todness ein kleinstimmiger Rodrigo, Csaba Szegedi ist als Montano blass. Stimmgewaltig, aber auch schaumgebremst vernimmt man den Dresdner Staatsopernchor, dessen Einstudierung Jörn Hinnerk Andresen besorgte.
Auch bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter Christian Thielemann fehlt es immer wieder an emotionalem Zugriff. Man war auch nicht immer eines Sinnes mit der Bühne, insbesondere dem Chor, was auch teils an den vom Dirigenten immer wieder gedehnten, breiten Tempi gelegen sein mag. Thielemann legt insgesamt mehr Wert auf große Klangschönheit und Klangzauber, insbesondere beim Liebesduett und im finalen Bild, denn auf Italianità.
Zum Schuss gibt es viel Applaus, jedoch ohne allzu große Begeisterung. Buhs ertönen für die Regie und José Cura.
Helmut Christian Mayer