Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Anna Maria Löffelberger

Aktuelle Aufführungen

Gefährlich versteckte Männergefühle

BROKEBACK MOUNTAIN
(Charles Wuorinen)

Besuch am
27. Februar 2016
(Premiere)

 

 

Salzburger Landestheater

Sie sind beide Männer, beide Cowboys und sie lieben sich. Eher zufällig haben sie diese „Andersartigkeit“ in der Weite von Wyoming vor den dunklen Bergen, den Brokeback Mountains, wo beide in der Einsamkeit Schafe hüten, entdeckt. Doch Ennis, der Konservativere traut sich nicht, obwohl Jack, der Lebenslustigere, ihn dazu überreden will, danach gemeinsam zu leben. So kehrt man wieder zu den Familien zurück. Aber die beiden kommen nicht voneinander los, und das Schicksal nimmt seinen Lauf ...

2006 erhielt der Film von Ang Lee drei Oscars, insbesondere als bester Film. Die Geschichte der beiden schwulen Cowboys hatte weltweit großen Erfolg und rührte zu Tränen. Sie folgt der Kurzgeschichte Annie Proulx‘, die auch für das Opernlibretto gewonnen werden konnte. Es ist Gerard Mortier zu verdanken, dass der Stoff zur Oper wurde, die Anfang 2014 in Madrid uraufgeführt, Ende 2014 in Aachen zum ersten Mal in Deutschland gezeigt wurde und jetzt seine österreichische Erstaufführung am Salzburger Landestheater erfährt. Charles Wuorinen, Jahrgang 1938, der als einer der bedeutendsten amerikanischen, zeitgenössischen Komponisten gilt, hat sie in Töne gegossen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Der Anfang ist höchst eindrucksvoll: Es beginnt wie Wagners Rheingold, mit einem Urton, Basstönen am Klavier, Kontrafagott und Tuba. Aber diese karge Düsternis bestimmt auch die folgenden zwei Stunden, denn es kommen zwar Töne und Farben hinzu, aber es entsteht keine Welt aus dem Fluss. Klang- und Tonfetzen bleiben karg und werden nur aneinandergereiht und aufgetürmt. Die Partitur hat zwar dramatischen und teils sehr lauten Atem, bleibt aber immer zu eindimensional, zu wenig illustrativ, und so kommt die Gefühlsebene, das emotionale Liebesdrama in der Musik viel zu kurz.

Mark Omvlee als Jack Twist und Florian Plock als Ennis del Mar - Foto © Anna Maria Löffelberger

Und dass obwohl Wuorinen für die österreichische Erstaufführung für Salzburg eine eigene Kammerfassung geschrieben hat: Er reduzierte das Orchester auf 24 Musiker. Der Streicherpart ist nur solistisch besetzt, was den Bläsern und dem Klavier deutlich mehr Gewicht einräumt und den Klang schärfer akzentuiert. Auch ein neu hinzugefügtes Saxofonquartett setzt neue Akzente. Es gibt ständig den Kontrast zwischen dunkler Tiefe und schriller Höhe.

Die musikalische Umsetzung ist absolut gelungen: Denn trotz aller enormen Schwierigkeiten wird die Musik von Adrian Kelly am Pult des Mozarteum-Orchesters Salzburg bewundernswert konzentriert und ungemein präzise  dargestellt.

Auch das Ensemble ist sängerisch exzellent: Florian Plock ist der grüblerische, schweigsame Ennis del Mar, der eigentlich mit einer Art kurzen Sprechgesangs beginnt und erst zum Finale, als er sich nach Jacks tragischem Unfalltod seiner Neigung stellt, mit seinem schönen Bariton zu einer eindrucksvollen, melodiösen Abschiedsarie findet. Mark Omvlee, auch schon bei der deutschen Erstaufführung in Aachen dabei, ist der quirlige Jack Twist. Er singt die Partie mit extrem expressivem Tenor und dringt mühelos in die geforderten, extremen Höhen vor.

Von den vielen kleineren und sehr kleinen Rollen stechen noch Hailey Clark als fabelhafte Alma, Ennis frustierte Frau, wie auch Rowan Hellier als Jacks Angetraute Lurfeen sowie Raimundas Jazuitis als stimmkräftiger Aguirre hervor. Auch der nur wenig beanspruchte Chor des Hauses, von Stefan Müller einstudiert, zeigt achtbares Handwerk.

Jacopo Spirei hat entgegen der Romantik des Films die eigentlich mit Dramatik und Emotionen gespickte Story viel düsterer und zu wenig atmosphärisch in Szene gesetzt. Er geht zu distanziert mit den Gefühlen der Männer, ja zu verschämt um und lässt viel zu wenig zu.  Kopflastigkeit geht auf Kosten der Gefühle. Er lässt die Handlung, wie vorgesehen, im Amerika der 1960-er Jahre spielen. Der Brokeback Mountain ist anfänglich als Massiv zu sehen. Er wird dann immer kleiner und dient als Fundament für andere Spielräume. Es bleiben aber immer kleine Steine wie Stolpersteine des Lebens zu sehen. Die Ausstattung stammt von Eva Musil.

Erstaunlich positiv reagiert das Premierenpublikum mit stehenden Ovationen:  Mortier hätte sich wahrscheinlich sehr gefreut.

Helmut Christian Mayer