Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Gunnar Laak

Aktuelle Aufführungen

Bunte Folklore

DIE PERLENFISCHER
(Georges Bizet)

Besuch am
27. Juli 2016
(Gastspiel)

 

 

Kuressaare, Saaremaa

Im Rahmen des Opernfestivals auf der Insel Saaremaa in Estland wird jedes Jahr ein anderes Opernhaus eingeladen, einige Produktionen aufzuführen. Nächstes Jahr wird es übrigens das Theater Krefeld Mönchengladbach sein, das unter anderem Lohengrin und Gianni Schicchi erstmalig nach Estland bringen wird.

In diesem Sommer ist es die Oper Wroclaw aus Polen, die mit zum Teil nicht alltäglichem Repertoire auftrumpft:  Karol Szymanowskis König Roger, Giuseppe Verdis Otello und die Perlenfischer von Georges Bizet. Diese altehrwürdige Institution – es gibt eine Oper in Breslau, wie die Stadt auf Deutsch heißt, schon seit 1627 – ist in vollem Umfang auf Saaremaa präsent.  Fast 200 Mitwirkende sind dabei – Chor, Orchester, Ballett, Solisten, Bühne und Kostüme – da ist es schon notwendig, dass Unterstützung sowohl vom estnischen wie auch dem polnischen Staat und ebenso von privaten Sponsoren für die notwendigen finanziellen Mittel sorgen. Die Oper wird seit 1995 von Ewa Michnik geleitet, die sowohl als Intendatin wie auch als Generalmusikdirektorin fungiert.  Auch auf Saaremaa ist sie die alleinige Dirigentin aller drei Opern – an drei aufeinanderfolgenden Tagen, allemal eine stolze Leistung.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

So bekannt Carmen auch in Estland ist, so unbekannt sind die Perlenfischer. Keine 25 Jahre alt war Bizet, als er diese – immerhin schon seine sechste – Oper nach Vorlagen von Eugène Cormon und Michel Carré schrieb.  Die Handlung findet statt in mythischen Zeiten auf der Insel Ceylon. Zwei junge Männer geloben ewige Freundschaft. Leider wird diese durch ihre Liebe für die gleiche Frau bedroht, deren eigenes Dilemma der Konflikt zwischen säkularer Liebe und ihrem heiligen Eid als Priesterin ist. Das Tenor-Bariton Duett Au fond du temple saint, allgemein bekannt als Perlenfischer-Duett, zählt zu den bekanntesten im gesamten Opernrepertoire.

Foto © Gunnar Laak

Die Produktion von Waldemar Zawodzinski ist in einem mythischen, orientalisch-asiatischen Fantasieland angezettelt, dominiert von den aufwändigen Kostümen von Malgorzata Sloniowska. Dank Polyesterglitter und sehr vielen folkloristischen Accessoires ersetzt die Kostümpracht die Notwendigkeit eines Bühnenbildes – auch praktisch, wenn man, wie hier, gastiert. Besonders der Chor und das Ballett weisen eine Farbenprächtigkeit auf, die man so auf deutschen Bühnen nur noch selten sieht.

Die weibliche Hauptrolle der Priesterin Leila wird von Joanna Moskowicz gesungen, die mit ihrem strahlenden Sopran klarmacht, warum diese Partie auch von Sängerinnen wie Diana Damrau geschätzt wird. Immerhin wurde ausdrücklich für Damrau diese Oper erst kürzlich in das Repertoire der Metropolitan Opera New York aufgenommen. Nadir ist der junge Jäger, der sich in Leila verliebt.  Gesungen wird er von Sang-Jun Lee mit einem überzeugenden, weichen, lyrischen Tenor.  Er ist auch der einzige, dessen Diktion klar und deutlich ist – es wird im französischem Original gesungen. Tomasz Rak ist Zurga der Herrscher, der einst als Kind von Leila gerettet wurde und sich letztendlich für das Liebespaar opfert. Die schlanke, hochgewachsene Gestalt und der ausdrucksstarke Bariton zeichnen die Figur ausdrucksstark. Die Rolle des Priesters Nourabad wird von Makariy Phihura verkörpert. Sein Bass droht wirkungsstark.

Anna Grabowska-Borys hat den buntkostümierten Chor einstudiert, der in dieser Produktion mit seiner schieren Masse auf der Bühne beeindruckt. Janina Niesobska hat eine Choreografie einstudiert, die in die märchenhafte Geschichte passt und deren Fantasiehaftigkeit unterstreicht.

Routiniert liefert das Orchester unter Leitung von Michnik die Musik von Bizet, der schon hier seine zukünftige Größe vorausahnen lässt. Das große Duett zwischen Zurga und Leila diente der zehn Jahre später komponierten finalen Auseinandersetzung von Carmen und Don José im vierten Akt von Carmen als Vorlage.

Das fast 2000 Sitzplätze umfassende Festspielzelt ist so gut wie ausverkauft mit Besuchern aus ganz Estland ebenso wie vielen ausländischen Gästen, die lautstark die Oper und die Leistung des Ensembles goutieren.

Zenaida des Aubris