Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Marty Sohl

Aktuelle Aufführungen

Verzerrter Sängerwettstreit

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)

Besuch am
31. Oktober 2015
(Live-Übertragung aus der
Metropolitan Opera New York )

 

Cineplex Münster

Nur zwei Wochen nach dem Otello lädt die Metropolitan Opera zur nächsten Live-Übertragung in High Definition in die Kinos ein. Verbessert gegenüber der letzten Übertragung hat sich bei Wagners Tannhäuser auf jeden Fall die Kameraführung, die wie so oft bei Wagner-Aufführungen eine Spur ruhiger und konzentrierter daher kommt. Barbara Willis Sweete ist dafür verantwortlich, dass man viele kleine Details sehen kann. Allerdings haben die Kameras nicht viel einzufangen außer dem Bühnenbild von Günther Schneider-Siemssen. Der hat mit seinen gewaltigen Bühnenprospekten vorgemacht, wie man eine Bühne in eine opulente Landschaft verwandelt – eine Kunst, die es heute fast nicht mehr gibt. Die Regie von Otto Schenk ist verblasst. Nach zig Jahren ist seine Personenführung der allgemeinen Beliebigkeit gewichen. Sieht man von dem Bacchanal-Ballett ab, ist die Szene im Venusberg an langweiliger Statik kaum zu überbieten. Eine andere Art von Grusel an Halloween.

In den Kostümen von Patricia Zipprodt kommt dieser Tannhäuser daher wie aus einer anderen längst vergangenen Epoche. Selbst die Walle-Walle-Kostüme mit eingearbeiteten Funkelsteinchen wirken seltsam überholt und stehen den Sängern nicht unbedingt gut. Aber die Mäntel blähen sich eben so schön theatralisch und effektvoll auf, wenn man damit die Kreise auf der Bühne dreht. Mehr gibt es an Personenführung kaum zu erleben. Eine klassische Inszenierung kann ja so schön sein, aber in diesem Fall langweilt sie nur.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

So kann nur die Musik diesen Opernabend retten, und da gibt James Levine quasi alles. Vom Publikum in New York noch vor dem Vorspiel herzlich begrüßt, werden er und das Orchester von Akt zu Akt immer lauter und enthusiastischer gefeiert. Es ist unglaublich: Kaum steht Levine diesem Orchester vor, wächst es über sich hinaus. Die Feinabstimmung innerhalb der Instrumente ist einfach wunderschön. Wie zärtlich und sinnlich setzen sich Holzbläser und Streicher in Szene, wie strahlend klingt das Blech. Mit diesem Orchester kann Levine auch teils sehr breite Bögen spannen, da sich der Klang dann so richtig intensiv entfaltet. Und ein Maestro wie er weiß auch, wie er passend zur Handlung die Musik spannend und kraftvoll steigern kann. Also Augen zu und lauschen, heißt das Motto des Abends. Denn wenn ein Bariton wie Peter Mattei den Wolfram singt, dann entstehen die Momente, wo Wagners Musik magisch wird. Neben dem starken Günther Groissböck als Landgraf Hermann ist Mattei der einzige, der wirklich szenische Präsenz entfalten kann. Dazu ist dieser samtweiche Bariton mit dem virilen Kern wie geschaffen für den selbstlosen Minnesänger. Mehr noch als das unendliche Legato der Stimme berührt Mattei seine Hörer mit einem tief melancholischen Lied an den Abendstern.

Foto © Marty Sohl

Tragischerweise werden die Stimmen an diesem Abend von einer kaum zu definierenden Störung beeinträchtigt, die sich vor allem in den höheren Stimmlagen bemerkbar macht. Es klingt so, als würden Stimmmikrophone mit den Bühnenmikrophonen in einem Ungleichgewicht liegen, was eine Verzerrung von etwa einer Millisekunde erzeugt. Die beiden Sängerinnen Michelle DeYoung und Eva-Maria Westbroek besitzen nun eh in den Höhen ein recht üppiges Vibrato, was dann noch verstärkt wird. DeYoung singt ansonsten mit dem passenden Stolz einer Göttin. Westbroek überzeugt vor allem im dritten Akt mit ihrem Gebet zur Gottesmutter. Johan Botha ist körperlich wie immer nicht wirklich aktiv, doch seinen Tenor setzt er durchgängig kontrolliert in der so schwierigen Titelrolle ein. Vielleicht sogar etwas zu kontrolliert: die ersten beiden Akte sind schön gesungen, aber berühren nicht. Im dritten Akt hat er dann noch genügend Kraft für eine packende Romerzählung. Zwei weitere Stimmen müssen erwähnt werden: Ying Fang singt mit glasklarer Stimme den Hirten und Ryan McKinny einen energischen Biterolf. Das Cineplex reagiert übrigens auf die Tonverzerrung, in dem es einfach ein bisschen die Lautstärke runter dreht. Gute Idee!

Münsters Publikum schwelgt im Stimmenrausch und New York feiert ihn. Die Ovationen für die Musiker sind kurz, aber lautstark. In Münster herrscht, wenn Peter Mattei singt, gespannte Stille. Einige sind zum ersten Mal bei einer Übertragung dabei und beeindruckt von diesem Format. Kann man ja auch eigentlich sein. Doch wenn zum wiederholten Male das Bild langweilig und der Ton schlecht ist, dann werden irgendwann die Kinosäle gespenstisch leer bleiben.

Christoph Broermann