Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
CAVALLERIA RUSTICANA/
DER BAJAZZO
(Pietro Mascagni/Ruggero Leoncavallo)
Besuch am
26. Mai 2016
(Premiere am 21. Mai 2016)
Die beiden Einakter des Verismo Cavalleria Rusticana und der Bajazzo haben es ja bekanntlich in sich. Diese zwei in sich abgeschlossenen Geschichten sind unterhaltsam, kurzweilig und bieten von Humor bis Dramatik alles auf, was einen guten Opernabend ausmacht. Die Musik ist anspruchsvoll, bietet aber auch den einen oder anderen Ohrwurm. Irgendwie war es zu erwarten gewesen, dass dem derzeit sehr erfolgreichen Theater Münster dieses Projekt gelingen würde. Dass es aber zum krönenden Abschluss einer erfolgreichen Saison wird, überrascht dann doch.
Das Schöne ist, dass sich Musik und Regie die Lorbeeren des Erfolgs teilen dürfen. Regisseur Philipp Kochheim und Dramaturg Jens Ponath überraschen bei Cavalleria Rusticana zwar nicht, bringen aber handwerklich sehr gut gemachtes Verismo-Theater auf die Bühne. Die wird von Barbara Bloch geteilt in die Andeutung eines Hauses oder Hofes in der Bühnenmitte, das umgeben ist von einer Art Dorfplatz. Beeindruckend ist das Timing, wie sich Privatszenen in Dorfszenen verwandeln. Was sonst so oft platt und gestellt wirkt, ist hier einfach natürlich. Die Solisten gehen auch dank der schönen Kostüme von Bernhard Niechotz in der Chormasse nie unter. So ist auch deutlich zu sehen, wie sich vor allem Santuzza und Alfio selbst zu Ausgestoßenen machen. In der all der ungekünstelten Dramatik, die sich aufbaut, ist aber immer noch deutlich, dass es Theater ist.
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So wird der Übergang zum Bajazzo ein kleiner Coup. Der vor den Vorhang tretende Tonjo mit seinem Prolog ist ja hinreichend bekannt. Doch irgendwann zieht er den Vorhang auf und schreitet durch das eingefrorene Bühnenleben einer Theaterprobe. Denn genau dort zwischen Chor und Kostümbildern, zwischen Technikern und Musikern spielt das Spiel auf der komplett offenliegenden Bühne des Großen Hauses. Vereinzelte Reste vom Rusticana-Bühnenbild runden diesen Effekt ab. Das tödliche Ende dieser Bühnenprobe wirkt in diesem realistischen Umfeld noch beklemmender.
Die Musik tut ihr Übriges dazu, dass man die Wirkung dieses Opernabends hautnah zu spüren bekommt. Fabrizio Ventura lässt sein Sinfonieorchester in der aufgeladenen Musik baden. Süffige Portamenti, wilde Ausbrüche, schmerzliche Tränen – im Orchester findet Theater in seiner übertriebensten Form statt, und es hört sich richtig, richtig gut an.
Dazu krönt das Ensemble den Abend mit wirklich hervorragendem Gesang. Adrian Xhema liegt der Canio vielleicht eine Spur besser als der Turiddu. Letztere Rolle vermag nicht ganz so zu berühren. Wie immer ist seine technische Beherrschung, die dynamische Auslotung absolut gelungen. Bei der Santuzza von Jennifer Feinstein hört man gespannt zu und registriert einen überraschend schön schwingenden, jugendlich-dramatischen Sopran mit unforcierten Spitzentönen. Suzanne McLeod ist eine authentische Lucia, Lisa Wedekind eine überzeugende Lola. Michael Bachtadze weiß schon als Alfio zu überzeugen, doch sein toll vorgetragener Prolog, sein intriganter Tonio sind ein Höhepunkt des Bajazzo. Als heimliches Liebespaar sind Sara Rossi Daldoss und Birger Radde nicht zu schlagen. Radde mit seinem sehr schön klingenden Bariton macht den Silvio fast zur Hauptfigur. Die Daldoss weiß als Nedda alle Register zu ziehen. Auch Youn-Seong Shim hält als Peppe das stimmliche Niveau. Mit Bravour lösen auch Chor und Extrachor des Theaters ihre Aufgaben. Man hört zwar heraus, wie Chorleiterin Inna Batyuk ihre Sänger durch die Doppelchöre oder mehrstimmigen Teile springen lässt, die eigentlich sogar mehr Sänger gebraucht hätten. Doch das Endergebnis ist mehr als gelungen und auch schauspielerisch merkt man dem Chor große Freude an.
Das Ende ist dann doch sehr schnell da. Eigentlich hätte man Bravo-Stürme von den Zuschauern erwarten können, da wurde in Münster in der Vergangenheit schon schlechteres mit standing ovations belohnt. Nichts davon heute, auch wenn der Applaus natürlich sehr positiv ausfällt. Auf jeden Fall hat das Theater Münster seine Saison 2015/2016 fulminant beendet.
Christoph Broermann