Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
AFRIKA HYMNUS
(Gerrit Jordaan)
Besuch am
21. Februar 2016
(Einmalige Aufführung)
Ob Bewohner Südafrikas in dieser Orgelmusik eine neue Heimat finden können, ist schwer zu sagen. Die von dem Organisten Gerrit Jordaan, Potcheefstroom, Südafrika, in seinem Münsteraner Orgelkonzert aufgeführten afrikanischen Komponisten der Neuzeit haben jedenfalls kaum etwas mit den Vorstellungen zu tun, die sich Westeuropäer von afrikanisch-zeitgenössischer Musik, hier gar der Kirchenmusik, machen.
Allgemein passen ursprüngliche afrikanische Musik und westeuropäische Orgelmusik nicht unbedingt zusammen. Auch die Orgel als wuchtig-raumfüllendes Instrument wird in den kleinen, oft armen afrikanischen Gemeinden gern durch kleinere Instrumente wie etwa ein Harmonium ersetzt. Sie ist in katholischen Gemeinden eher zu Hause als in den doch in ihrer Liturgie puritanischer ausgestatteten reformierten Gemeinden, wie sie sich häufig in Südafrika finden.
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Trotzdem kann Jordaan mit Konzertstücken von drei Komponisten aufwarten, von denen Kevin Volans noch heute aktiv ist. Schaut man sich allerdings die Biographien dieser afrikanischen Musiker näher an, wird ihre Nähe zur Tradition europäischer Kirchenmusik deutlich. Alle haben während ihrer musikalischen Ausbildung teilweise intensiven Kontakt mit westlichen Lehrern und Schulen gehabt. Dass andererseits die afrikanische Musiktradition der europäischen wichtige Impulse geben kann, ist nicht zu bestreiten. „Wir haben eine Versöhnung zwischen der afrikanischen und europäischen Ästhetik zu beginnen“, sagt selbstbewusst Komponist Volans.
Jordaan ist von dem „großartigen Instrument“, der Schuke-Orgel in der Lambertikirche am Münsterschen Prinzipalmarkt, begeistert. Der volle Orgelklang füllt die hohen Kirchenschiffe dieser westfälisch-spätgotischen Markt- und Bürgerkirche, um langsam ins Piano zu gehen, mit Dissonanzen zu überraschen und einen ersten langen Orgelpunkt zu setzen. Schrille Diskanttöne wechseln sich mit Tutti-Einwürfen ab, glasklare Töne folgen auf rollende Tonfelder, ein Rhythmus, ein Leitmotiv ist nicht zu erkennen. Expressive Tonfolgen leiten Stefans Grovés Afrika Hymnus I ein.
Im Walking Song von Volans bilden die Basstöne ein durchgehend vibrierendes Fundament, mit schwebenden Tönen setzen flötenähnliche Passagen ein. In seinem Afrika Hymnus II greift Stefans Grové auf Tänze oder lautmalerisch auf Vogelstimmen etwa des „Piet-my-Vrou“-Vogels oder musikalisch-rhythmische Figuren der Einwohner zurück, die er vielfach variiert und gegeneinandersetzt. Selbst die erste Sitzung des südafrikanischen Parlaments unter Nelson Mandela motiviert Grové, er lässt sich von deren Geräuschen und Stimmungen inspirieren. Surendran Reddy, der zuletzt in Konstanz lebte, fühlt sich der europäischen Klassik ebenso zugeneigt wie dem amerikanischen Jazz und schafft folgerichtig einen persönlichen Stil, den er „clazz“ nennt. Diesen praktiziert Reddy in seiner Mayibuye Suite. In ihr bringt er eindrucksvoll seine Sehnsucht nach Afrika zum Ausdruck und hofft auf ein „Zurückkommen nach Afrika“, so der Name.
Mit der unter Fachleuten hoch geschätzten Schuke-Orgel, die 1998 grundrenoviert wurde, hat Jordaan ein Instrument zur Verfügung, das ihn begeistert und alle Möglichkeiten der Virtuosität bietet. Er beschließt mit seinem Orgelkonzert und den einem europäischen Publikum kaum bekannten neuen Kompositionen ein Klangzeit-Festival, das ein weiteres Mal mit seinem Programmblick nach Osten und Süden seinem Titel Festival für Neue Musik gerecht wird. Mit Konzerten aus der Szene Nordrhein-Westfalens bis zu Kompositionen aus Kasachstan und Tadschikistan wird es seinem diesjährigen Titel Heimat und Identität voll gerecht und bereichert das Münstersche Musikprogramm um aktuelle Klänge aus der internationalen Szene. Dafür bedankt sich ein fachkundiges Publikum mit herzlichem Beifall.
Horst Dichanz