Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
SALON PITZELBERGER
(Jacques Offenbach)
Besuch am
16. Janaur 2016
(Premiere am 14. Januar 2016)
Am 4. November 1865 erklang Offenbachs Operette in einem Akt anlässlich der Eröffnung des Gärtnertheaters zum ersten Mal. Als Ehrensache wird der musikalische Scherz nun im kleinen Rahmen zum 150. Jubiläumsjahr wieder aufgenommen. Ironischerweise besteht damit quasi die erste Hausproduktion unter der Intendanz Josef E. Köpplingers, die in Zeiten des Umbaus mit nur einem Gast und ansonsten gut aufgelegten Ensemble-Mitgliedern auskommt. Für die Inszenierung verpflichtete Köpplinger die Spielleiterin und vom Varieté kommende Magdalena Schnitzler, die sich nach Brundibár nun in der Operette austoben darf.
Im Vergleich zu Strauss wird nicht selten Offenbachs Gehalt als Dramatiker, als zynischer Kritiker seiner Zeit und als genialer musikalischer Kommentator beschrieben. Das trifft auf die Fingerübung des Salons nun wahrlich nicht zu. Mit wenig Musik ausgestattet, inhaltlich belanglos und nur mit Anstrengung pointenreicher gemacht, schmunzelt man allein über die große Operngroteske am Höhepunkt, die geschickt mit Verdi-Konventionen und dem Pathos der italienischen Oper kokettiert. Die Handlung über den auf das Erbe seiner Großmutter wartenden, neureichen Pitzelberger, der über eine doppelte, unstandesgemäße Heirat stolpern könnte, ist wahrlich ein Witz und wird auch als solcher gelöst. Das Team der aufgerüschten Textfassung implementiert allerlei München-Gags, verlagert die Handlung quasi in die Jetztzeit, verliebt sich in den Kalauer im Stil von Herbert Fritsch und holt notwendigerweise Offenbachs Evergreen aus dem Orpheus als Intermezzo in die Handlung. Erklingt der Cancan, der samt einer schmissigen und antikenvergessenen Inszenierung von Johanna Schall am Haus erinnerlich bleibt, so fehlen die Spitzen, die Ironie und der Schmiss dieses großen Offenbachs.
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Aus dem Material aber holt man heraus, was geht. Schnitzler wertet die Hausmädchen, verliebt und sündig faul, auf. Sie bringt allerlei Liebelei-Versteckspiel im passenden Gartensalon von Jessica Marquardt unter und gibt ihren Figuren Raum für Operette. Das Publikum zu drei Seiten in der mittlerweile akzeptierten Reithalle ist dabei selbst Gast der Soirée.
Als einziger Gast darf Juan Carlos Falcón nach Onkel Präsident und Semele erneut sein komödiantisches Potenzial nutzen. Als mittelloser Musiker, als feiger Liebhaber, vor allem aber als Tenortravestie gewinnt er pointensicher. Paradoxerweise offenbaren seine warm klingenden, klanglich reichen Verdi-Zitate durchaus stimmlichen Gehalt, der über die Persiflage hinausgeht. Gerne würde man ihn einmal bei wirklich großem Italienischem hören. Diese Chance hatte man bei Elaine Ortiz Arandes zur Genüge. Von der Violetta über Cho-Cho-San bis zur Emilia Marty weitergewandert, hat diese vielseitige Sängerin in ihrer Karriere alle Lorbeeren errungen und begeisterte erst kürzlich in der französischen Operette als Mephisto. Die Spielfreude hat sie sich auch als xanthippische Ernestine, die so gerne ihren Musiker dem Bruder empfehlen möchte, erhalten. Selbst am Piano macht sie eine gute Figur. Mit gewachsener Höhe, sicher verstärkt und Lust zur Parodie bleibt sie bei ihrem Publikum geliebt. Das trifft auch auf Ulknudel Frances Lucy als schmachtendes Dienstmädchen mit liebreizendem Akzent zu und auf eine weitere große Sängerin des Hauses, Ann-Kathrin Naidu, ehemalige Rheintochter und Carmen, der das missmutige Hausmädchen nach ihrer starken Leistung in Peter Grimes fast zu leicht von der Hand geht. Dafür ist die Naidu im Leopard noch immer ein Skandal. Gestanden, mit weiterhin geschmeidiger Stimme und Grand-seigneur-Attitüde Holger Ohlmann als verarmungsgefährdeter Pitzelberger. Eher optisch zur Salonfüllung genutzt, darf der ebenfalls gut aufgelegte Chor in den knappen Nummern neben der großen Verdi-Revue leider wenig singen, doch feiert er in fescher Dirndlpracht zusammen mit seinen über Jahre liebgewonnenen Kollegen einfach eine exklusive Privatfeier anlässlich der 150 Jahre seines Hauses.
Die Musik dazu liefert Studienleiter Jürgern Goriup, der mit Salonbesetzung geschwinde, süffige Offenbachmelodien liefert, auch den Cancan kann, und dem man ebenso wie den Sängern gerne wieder ausführlicher und länger als in diesem verfliesenden Scherz zuhören möchte. Vielleicht zur Wiedereröffnung, wenn auch dieses Haus wieder ein stehendes Ensemble haben soll. Diese Sänger werden Teil davon bleiben, und aus den vielen Äußerungen von langjährigen Besuchern ist herauszuhören, dass das auch gut so ist. Motivierter Applaus.
Andreas M. Bräu