Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Matthias Stutte

Aktuelle Aufführungen

Keine Angst vor großen Göttern

THE GODS MUST BE CRAZY
(Kobie van Rensburg)

Besuch am
19. Mai 2016
(Uraufführung)

 

Theater Krefeld Mönchengladbach,
Mönchengladbach, Studio

Ein Meisterkurs stand noch aus, ehe die Teilnehmer des Opernstudios Niederrhein ihre Ausbildung mit dem Ende dieser Spielzeit zum Abschluss bringen. Die Teilnehmer entschieden sich für Alte Musik und einen ganz besonderen Lehrer. Kobie van Rensburg, Jurist, Sänger und Regisseur sollte es sein. Und es sollte auch keine „normale“ Meisterklasse werden, sondern in einer Aufführung münden. Ein ambitioniertes Vorhaben, dessen Herausforderung van Rensburg als intimer Kenner der historisch informierten Aufführungspraxis gern annahm. Und nicht nur das. Er erklärte sich auch gleich bereit, ein eigenes Pasticcio anzufertigen und sich neben der Inszenierung um Bühne und Kostüme zu kümmern.

Mit der Pasticcio-Technik, also aus bereits vorhandenen Musiken ein neues Werk zusammenzufügen, hatte van Rensburg den großen Vorteil, individuell auf die Fähigkeiten seiner Schüler eingehen zu können. Um nebenbei auch noch Handlungsdauer und -verlauf bestimmen zu können. Wenn alles aus einer Hand kommt, weckt das ja durchaus Misstrauen. Aber: Van Rensburg gewinnt auf der ganzen Linie! Seine Musikauswahl aus Opern von Henry Purcell und Georg Friedrich Händel hält die Zuschauer 70 Minuten lang in Atem. Leider war weder auf der Website noch im Programmheft Platz, das Arienprogramm aufzuführen. Bei den Kostümen arbeitet er mit langen Mänteln. Ein schöner Trick, der unglaublich schnelle Kostümwechsel ermöglicht. Ob die LED-Halsbänder notwendig sind, bleibt dahingestellt. Die Fantasie steht im Vordergrund. Und die setzt sich auf der eigentlich sehr marginal ausgestatteten Bühne fort. Im Hintergrund eine dreigeteilte Leinwand, daneben eine Blue Box, davor ein Podium, das als Bett und Projektionsfläche dient. Links auf der Seitenbühne im Studio die Musiker. Die richtige Grundlage für ein Feuerwerk an comicartigen bis spritzigen Einfällen – denn van Rensburg arbeitet mit Projektionen. Und die Blue Box ermöglicht den Einbau der Akteure in die Projektionen, allerlei komische Effekte eingeschlossen. Hier allerdings fällt der Regisseur der eigenen Akribie zum Opfer. Auf den Zentimeter genaue Standorte sind bei der Kürze der Proben nicht so genau einzuhalten, wie van Rensburg geplant hat. Geschenkt. Es gelingt ihm, eine Geschichte zu erzählen, wie sie barocker kaum sein könnte.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Euromelista lässt sich auf ein Techtelmechtel mit Jupiter ein, will aufgrund einer Intrige ihrer Schwester Hermione den Göttervater in seiner wahren Gestalt sehen, was ihren sofortigen Tod zur Folge hat. Daraufhin durchbricht Jupiter das göttliche Gesetz und lässt sie wiederauferstehen. Auf dass der Chor zum Abschluss singt, dass die Menschen die Götter nicht mehr fürchten müssen, weil diese sich allzu menschlich verhalten.

Foto © Matthias Stutte

Das ist modernster Barock, auf den die Opernstudio-Teilnehmer sich gern einlassen. Allen voran Amelie Müller, die als Euromelista ihr ganzes schauspielerisches und sängerisches Spektrum zeigen kann. Sie beweist, dass sie die Zeit im Opernstudio wirklich gut genutzt hat. Ihre künstlerische Darstellung lässt nichts zu wünschen übrig, und was sie in der Kürze der Zeit an Koloraturen der Alten Musik erarbeitet hat, ist eindrucksvoll. Ihre Kondition ist bewundernswert, zumal auch sie gleich mehrere Rollen zu absolvieren hat. Rundum ein gelungener Einsatz, auf den sich in Zukunft die Berliner freuen dürfen. Tenor James Park begeistert als Jupiter. Er ist einer der Sänger aus der Talentschmiede von Konrad Jarnot an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf. Und wen Jarnot in die Öffentlichkeit entlässt, der ist tadellos. So auch Park. Dimitra Tilikidou, die in der Hauptrolle Hermione präsentiert, kann sich mit den Anforderungen der Alten Musik nicht so recht anfreunden, hat aber Feuer im Spiel und wird sich sicher auf anderen Gebieten erfolgreicher weiterentwickeln. Bleibt Shinyoung Yeu als Bariton, der sich spielerisch freudvoll einbringt, sängerisch aber in anderen Rollen vorerst besser aufgehoben ist. Das geht auch in Ordnung so, denn es war ein Experiment, auf das sich das Opernstudio eingelassen hat. Allein das ist aller Ehren wert. Und da darf man mit Fug und Recht behaupten: Gelungen.

Überzeugend auch der Letzte im Bunde. Yorgos Ziavras sitzt an Cembalo und Orgel. Gleichzeitig übernimmt der Opernstudio-Teilnehmer die musikalische Leitung. Das muss man mal nachmachen. Die übersichtliche Besetzung des Orchesters mit zwei Violinen, Bratsche, Cello und Kontrabass reicht dem ehrgeizigen Musiker, eine ordentliche Leistung abzuliefern.

Am Ende belohnt das Publikum mit sechsminütigem Applaus, Füßetrampeln und Bravo-Rufen die Akteure einschließlich eines glücklichen Lehrers und Regisseurs. Bis auf den letzten Platz ist das Studio an diesem Abend besetzt. Manch einer wird sich nach diesem prachtvollen Abend ein wenig mehr auf das Abenteuer Alte Musik einlassen. Deshalb gibt es Glückwünsche für Kobie van Rensburg und das Team vom Opernstudio Niederrhein.

Michael S. Zerban