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Gelassen, unbeweglich und süffisant lächelnd steht Jago vorne am Bühnenrand, während hinter ihm der Sturm tobt und das Volk bangt, dass Otellos rückkehrendes Schiff an den Klippen vor der Küste zerschellt: So lässt Manfred Schweigkofler Giuseppe Verdis Otello, basierend auf dem Drama von Shakespeare, dessen 400. Todestag man damit gedenkt, in der Slowenischen Nationaloper im Cankar Center in Laibach beginnen und nach dem Mord auch enden. Und fast ständig spielt er dabei, auch bei seinen sonstigen Intrigen, lässig mit zwei Metallkugeln. Als schmieriger Fiesling ist dieser intrigante Bösewicht Jago gezeichnet, der auch beim „Credo“ mit Dämonie punkten kann. Dazu bedarf es allerdings auch eines exzellenten Singschauspielers, der mit Jože Vidic gefunden wurde. Er singt den Jago mit enormer Präsenz, feiner Ironie wie auch markiger sowie kraftvoller Durchschlagskraft.
Vor einem grauen, stilisierten Palast – das stimmige Bühnenbild stammt von Walter Schütze – auf einer Drehbühne werden mit faszinierenden Lichtstimmungen und Projektionen, wie spinnenartigen Netzen, offenbar jene Intrigen symbolisierend, die Jago ausgelegt hat, eine spannende, ja thrillerartige Atmosphäre erzeugt. Ornamente in den offenen Fenstern werden so beleuchtet, dass diese auch auf dem Boden sichtbar werden. Ebenso wird viel mit Farbsymbolik gearbeitet. Fantasievoll und sehr ästhetisch sind die ebenfalls historisch stilisierten Kostüme, die Mateja Benedetti kreiert hat. Die kleineren, tänzerischen Einlagen wurden vom Tänzer Lukas Zuschlag choreographiert.
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Insgesamt detail- und ideenreich ist die Inszenierung dieses Eifersuchtsdramas, auch auf den Nebenschauplätzen, die immer am Libretto bleibt und die Figuren punktgenau führt. Während es dem Regisseur gelingt, Martina Zadro als innige, intensiv leidende Desdemona zu zeigen, die sie beseelt und nuancenreich singt und Lyrik wie auch Dramatik vereint, scheitert er am Titelhelden. Denn Branko Robinšak, der Haustenor schlichtweg schon über Jahre und der noch nie ein besonders glaubhafter Darsteller war, vermag als Otello wenig Profil, Drastik und Emotionen weder beim Liebesduett, noch bei seinen zu verhaltenen Wutausbrüchen noch beim Mord zu vermitteln. Obwohl kraftvolle Töne produzierend, singt er recht eindimensional und stößt auch gesanglich bei den Spitzentönen immer wieder an seine Grenzen. Aljaž Farasins Tenor ist für die Rolle des Cassio im Cankar Center viel zu klein. Stimmgewaltig und fast immer eines Sinnes ist der Chor des Hauses, der von Željka Ulčnik Remic einstudiert wurde. Von den vielen, kleineren Rollen seien noch Nuška Drašček Rojko als exzellente Emilia sowie Peter Martinčič als stimmgewaltiger Lodovico zu erwähnen.
Das Spätwerk des italienischen Meisterkomponisten erlebt unter der exakten und suggestiven Stabführung von Jaroslav Kyzlink im Orchester der Slowenischen Nationaloper Ljubljana eine unglaublich packende und fassettenreiche Aufführung: Von der ersten aufgepeitschten Sturmszene weg, mit all den eruptiven Ausbrüchen über die voll ausgekosteten, wunderbaren Lyrismen, denen nur manchmal der Feinschliff fehlt, bis zum tragischen Ende wird in schlüssigen, teils recht straffen Tempi mit großer dynamischer Differenzierung und mit großer Rücksichtnahme auf die Sänger musiziert.
Das Publikum reagiert völlig begeistert, jubelt lautstark und spendet reichlich Applaus.
Helmut Christian Mayer