Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
BEZIEHUNGSWEISE
(Ingeborg Danz, Peter Stein,
Tobias Krampen)
Besuch am
21. Januar 2016
(Einmalige Aufführung)
Ein Liederabend, bei dem man eine hübsche Mischung aus Liedern ohne weiteren Zusammenhang darbietet, funktioniert in größeren Sälen vor allem dann, wenn Namen wie Jonas Kaufmann, Christian Gerhaher oder Brigitte Fassbaender auf dem Plakat stehen. Dann strömen die Massen. Weniger bekannte Künstler müssen sich schon etwas mehr einfallen lassen, auch, um in kleineren Sälen aufzutreten. Und schon erst recht, wenn sie an einem Donnerstagabend erfolgreich sein wollen.
Altistin Ingeborg Danz und Geiger Peter Stein, glücklich miteinander verheiratet, haben eine interessante Parallele entdeckt. Oder wie eher zu hoffen ist, eine Teilparallele. Daraus haben sie ein Programm für einen Liederabend entwickelt, der heute Abend erstmalig im Leverkusener Erholungshaus aufgeführt und am darauffolgenden Abend in der Krefelder Burg Linn wiederholt wird.
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Die Sängerin Amalie Schneeweiß trat 1862 dem Zirkel der Künstlerfreunde um Robert Schumann bei. Sie hatte ein Engagement an der Hannoveraner Oper angenommen und dort den Geiger Joseph Joachim kennengelernt, der als Konzertmeister am Hannoveraner Hof sowie als Komponist wirkte. Zehn Jahre später heirateten die beiden. Unter der Voraussetzung, dass Schneeweiß auf eine Karriere als Opernsängerin verzichtete. Sechs Kinder und einen Scheidungsprozess von vier Jahren später wurde die Ehe 1884 wieder geschieden. Auf dieses BeziehungsWeise rekurriert das abwechslungsreiche Programm des Abends.
Dass der große Saal im Erholungshaus genutzt wird, ist der dort besseren Akustik gedankt. In Ermangelung ausreichender Besucherzahlen ist der vordere Teil des Saals abgetrennt und dennoch eher spärlich gefüllt. Ob hier die Kommunikation seitens der Veranstalter stimmt, müssen die selber prüfen. Dass es an diesem Abend gar eine Uraufführung in Anwesenheit des Komponisten gibt, der eigens für Danz und Stein drei Oden geschaffen hat, erfährt man jedenfalls im Internet nicht. Im Programmheft gibt es immerhin einen Hinweis.
Zuvor aber steht Joy auf dem Programm. Ein Lied, das Peter Knell 1999 für Sopran und Violoncello geschaffen und eigens für Danz und Stein umgeschrieben hat. So kann Ingeborg Danz gleich zu Beginn brillieren. Die Texte der Lieder werden auf einem Zusatzblatt zum äußerst aussagefähigen Programmheftchen ausgeliefert und bei den englischen Texten intensiv vom überwiegend älteren Publikum genutzt. Nach einem Intermezzo in Form des Andante molto aus Clara Schumanns Drei Romanzen für Violine und Klavier geht es in den Liederzyklus Frauenliebe und Leben von Robert Schumann.
Das wird alles in ausgesprochen konservativer Weise vorgetragen. Danz im ozeanblauen Abendkleid erscheint zum Gesang. Singt wunderbar und geht ab. So auch bei der Uraufführung der Drei Oden für Alt, Violine und Klavier nach Worten von Friedrich Hölderlin. Tobias Krampen am Flügel und Peter Stein an der Geige geben hier wie Ingeborg Danz alles. Mit der Variante, dass Komponist Stefan Heucke aus Bochum mit auf die Bühne kommt, um den Applaus zu empfangen. Zumindest von denen, die das Programmheft erworben und im Vorfeld schon mal ein bisschen hineingelesen haben. Die anderen dürften den Vorgang gar nicht verstanden haben.
Gewiss ist, dass der Liederabend ein Konzentrat von Gesang und musikalischer Begleitung darstellt. Das ist von den Liebhabern dieser Musik so gewünscht und wird von den Bühnenakteuren zelebriert. Dazu gehört der Blumenstrauß, dem ein eigener Hotspot gewidmet ist, genauso wie der halberleuchtete Raum. Ob das allerdings zeitgemäß ist, sei dahingestellt. Wertvolle Preziosen entgehen so dem Publikum, wie etwa die Information zum Lied out-out von Peter Knell, das ebenfalls eigens für Danz und Stein komponiert ist.
Eine Moderation hätte hier vermutlich Wunder gewirkt und modernen Rezeptionsgewohnheiten entsprochen. Auch, dass das anschließend vorgetragene Intermezzo Eine Frühlingsphantasie von Joseph Joachim stammt, entgeht dem unkundigen Besucher.
Mit Brahms-Liedern und einer Zugabe geht ein eigentlich wunderbarer Abend zu Ende, dessen Hintersinn – und damit ein Großteil der Arbeit der Musiker – dem Publikum entgeht. Auch Musik funktioniert heute über Geschichten.
Der ausgesprochen variablen Alt-Stimme von Danz und der Ausdrucksweise der sie begleitenden Musiker ist zu verdanken, dass das anwesende Publikum sich mit trampelnden Füßen und langanhaltendem Applaus bedankt. Möglich wäre mehr.
Michael S. Zerban