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FRAU OHNE NAMEN
(Robert North)
Besuch am
22. Mai 2016
(Premiere am 14. Mai 2016)
Nach dem dreiteiligen Tanzabend Rhapsodie setzt Robert North, Ballettdirektor am Theater Krefeld Mönchengladbach, seine erfolgreiche Arbeit mit einem abendfüllenden Beitrag fort, der beim Publikum und in der Presse auf einhellige Zustimmung, teilweise auf lautstarke Begeisterung gestoßen ist. Reaktionen, die angesichts des Ehrgeizes und der qualitativen Stabilität des Ensembles und ihres Chefs mehr als gerechtfertigt sind. Zumal man nicht an einer luxuriösen musikalischen Ausführung durch die Niederrheinischen Sinfoniker und den Opernchor des Hauses sowie an einer aufwändigen Ausstattung gespart hat. Dennoch hinterlässt Norths neueste Kreation, Eine Frau ohne Namen, einen durchwachsenen Nachgeschmack.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Nach einem Prolog, in dem Frauen und Männer einem munteren Balztanz frönen, bei dem die Männer zeitweise wie munter herumwieselnde Spermien ihr Ziel verfolgen, bilden sich sieben Paare heraus, bevor die Titelheldin mit ihren Eltern auftritt. Zunächst als Kind, von Felicitas Andreas interpretiert, später als erwachsene Frau, der die Solotänzerin Karine Andrei-Sutter äußerst differenzierte Nuancen abgewinnt. Sie lernt ihren ersten Freund kennen, bis die Liebe erkaltet. Ihr Freund brennt mit ihrer besten Freundin durch, sie selbst entscheidet sich für einen anderen Mann, wird Mutter und Großmutter, durchlebt eine Karriere als erfolgreiche Schriftstellerin und stirbt schließlich, umgeben von ihren Lieben, am Schreibtisch. Bis dahin eine recht geradlinig und, wie von North gewohnt, klar konturierte Lebensgeschichte, die am Ende freilich die Grenzen des Kitsches ankratzt, wenn sich die Seele der Verstorbenen von ihrem Körper löst und von einem Engel ins Jenseits geführt wird. Getragen von einer Engelsschar, umhüllt von gefühlvoll seichten Klängen eines Bratschenkonzerts und einem vom Opernchor salbungsvoll angestimmten Benedictus aus der Feder des Komponisten Howard Blake, mit dem North bereits seit 20 Jahren zusammenarbeitet.
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Auf die Musik Blakes setzt North große Stücke. Gleich der Prolog wird mit grazilen Vokalisen der Sopranistin Sophie Witte garniert. In den folgenden Teilen kann sich Konzertmeister Philip Wenger mit Sätzen aus Blakes Violinkonzert wirkungsvoll in Szene setzen. Allerdings überschreiten Blakes Kompositionen selten die Grenzen gut gestrickter Filmmusik: vielseitig verwendbar, effektvoll und handwerklich sauber gearbeitet. Nicht mehr und nicht weniger. Und bei den Niederrheinischen Sinfonikern unter Leitung von Kapellmeister Alexander Steinitz ist die Musik bestens aufgehoben.
Damit ist ein Klangteppich geschaffen, der so klare Verhältnisse schafft wie Robert North mit seiner Choreografie. Zu sehen ist eine ansprechende Mischung klassischer und moderner Elemente, die niemals so weit abhebt, dass die Klarheit der inhaltlichen Aussage getrübt werden könnte. Verknüpft mit Fantasie und Einfühlungsvermögen lässt sich damit ein Tanzabend auf hohem Niveau gestalten. Eines nebulös mythischen Höhenflugs wie in der Final-Apotheose mit einem geschmäcklerischen Engelsballett bedarf es da gar nicht.
Nicht vergessen werden darf Norths Fähigkeit, dem Tanzensemble zu einem kräftigen Qualitätsschub verholfen zu haben. Auch wenn die Synchronität der Ensemblesätze noch des letzten Feinschliffs bedarf, gibt er den Tänzern reichlich Gelegenheit, sich mit anspruchsvollen Aufgaben angemessen zu repräsentieren. Die Konflikte zwischen den Figuren werden kraftvoll ausgetragen, die Titelheldin absolviert ein riesiges Reservoir an Ausdrucksfassetten. Damit bietet North nicht nur Andrei-Sutter in der Titelrolle eine dankbare Vorlage, sondern auch Raphael Peters als ihrem „ersten Freund“ und Alessandro Borghesiani in der Partie ihres späteren Ehemanns sowie Elisa Rossignoli als ihre „beste Freundin“. Diese vier Figuren tragen die Hauptlast des Abends, wobei North die Ensemblesätze keineswegs vernachlässigt.
Eingebunden ist das Ganze in eine optische Welt, die vor allem durch ihre differenzierte Farbgestaltung reizt. Udo Hesse setzt bereits im Prolog auf kräftige rote Akzente, die sich in konzentrischen roten Kreisen niederschlagen. Die Farbe Rot bestimmt auch das ebenfalls von Udo Hesse kreierte Kostüm der namenlosen Frau in ihren besten Jahren, mit dem sie sich von ihrem in gedeckten Farben gehaltenen Umfeld abhebt.
Eine Produktion, die in ihrer Gesamtheit im Zusammenspiel von Choreografie, Tanz, Musik und Ausstattung überzeugt. Die Begeisterung des Publikums ist durchaus nachvollziehbar und sollte das Selbstbewusstsein der niederrheinischen Compagnie weiter stärken.
Pedro Obiera