Kulturmagazin mit Charakter
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Das fängt gut an. Wer mit dem Auto anreist, durchquert im Parkhaus erstmal drei leerstehende Geschosse, ehe die zahlreichen Ordner das Parken zulassen. Ob es an den niedrigen Kraftstoffpreisen liegt, oder die Oper Köln ihrem Publikum mehr Bewegung angedeihen lassen will, ist unklar. Jedenfalls ist gut beraten, wer sich zusätzlich mit Marschverpflegung ausstattet. In dem Provisorium Staatenhaus wird nämlich für eine fünfeinhalbstündige Veranstaltung außer Brezeln, Muffins oder zwei Kuchen nichts zu essen angeboten. Ach ja, Brot gibt es auch, aber dazu später mehr.
Gezeigt wird die Wiederaufnahme einer Inszenierung von Carlus Padrissa, die vor drei Jahren auf die damalige Ersatzspielstätte im Musical Dome ausgerichtet wurde. Weil die damalige Bühne aber wesentlich mehr Raum anbot als der jetzige Saal 1 im Staatenhaus, muss die Wiederaufnahme abgespeckt werden. Abstriche schmerzen, also wird so wenig wie möglich vom Original weggelassen. Das ist nicht nur mutlos, sondern zeigt auch wenig Kreativität. Das Orchester ist links neben der Bühne untergebracht. Auf der Bühne sind die riesigen Stahlelemente erhalten geblieben, auf denen eine überbordende Menge von Statisten untergebracht wird, die teils unter atemberaubenden, wenn nicht lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten müssen. Denn der Abstand von der Spitze einer der verschiebbaren Viertelkugeln bis zur Decke ist an manchen Stellen nicht einmal mehr mannshoch. Die verbleibende Spielfläche erinnert eher an eine Studiobühne, auf der wahlweise ein Tisch mit Leuchtfläche in verschiedensten Funktionen oder der „Gral“, ein überdimensionierter, wassergefüllter Acryl-Kelch mit einem phallusähnlichen Mittelstück, im Mittelpunkt stehen.
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Das Bühnenbild von Roland Olbeter sieht in der zehnten Aufführung schon reichlich abgegriffen aus, was bei der enormen Beanspruchung nicht weiter verwundert. Der schwarze Gaze-Vorhang, der den klaren Blick verhindert, aber Projektionen ermöglicht, die auf der kleineren Fläche aus größerer Nähe noch marginaler wirken, ist ebenfalls erhalten geblieben. Auch die Kostüme, die Chu Uroz entwickelt hat, wirken ein wenig angeschmuddelt. Die wohl eher unangenehm zu tragenden Ganzkörperanzüge mit den Mundschutzen sorgen dafür, dass bei einigen der Statisten die Disziplin nicht durchgehalten wird und der Mundschutz zum Kinnschutz herabwandert.
Insgesamt ist Parsifal bei Padrissa unglaublich personalintensiv. Kaum eine Szene, die ohne die Anwesenheit eines ganzen Bühnenarbeiter-Stabes auskommt. Spannend wird es, wenn Seilzüge unter der Decke für das Flugtheater eingerichtet werden, die nicht geräuschlos funktionieren. Selbstverständlich ist auch das Bühnenpersonal darauf aus, exakt zu funktionieren. Dass man da nicht immer auf das eigentliche Bühnenspiel achten kann, ist nachvollziehbar, führt aber unter anderem zu der kuriosen Situation, dass Kundry Umbauphasen durchsingt, während links hinten Wagner-Musik vor sich hinplätschert.
Die Sänger zeigen sich von dem Aktionismus auf der Bühne unbeeindruckt. Die geringere Größe des Raumes, um nicht zu sagen, die Intimität erfordert nicht das Volumen, das für eine Opernbühne erforderlich ist. Das gestattet mehr Nuancenreichtum, was sich die Sänger teils auch zunutze machen. Großartig wieder der Bass von Matti Salminen, der die Erzählfunktion von Gurnemanz noch weiter ausspielen kann. Samuel Youn präsentiert sich sowohl als Amfortas als auch als Klingsor in hervorragender Form. Marco Jentzsch begeisterte schon vor drei Jahren als Parsifal und kann diese Leistung erneut in Bestform abrufen. Überraschend die sängerische Leistung von Dalia Schaechter als Kundry. Immer wieder bricht sie auffällig in der Mittellage ein. In den kleineren Rollen wird spielfreudig und sanglich einwandfrei agiert. Die Chöre in den bewährten Händen von Andrew Ollivant wirken etwas überdimensioniert und verlieren so mitunter an Verständlichkeit. Hier helfen die konsequenten Übertitel weiter.
Will Humburg dirigiert das Gürzenich-Orchester in bekannt großer und schweißtreibender Geste – auch im Sitzen – produziert aber einen eher zurückhaltenden, weichen, runden Wagner-Klang, der sich in dem provisorischen Theatersaal wohltönend ausbreitet. An zwei, drei Stellen lässt er ausspielen und zeigt, dass die Saalakustik damit überfordert ist.
Also alles richtig gemacht – findet auch das Publikum, das fleißig applaudiert, nachdem es die verteilten Brotkörbe meist unberührt weitergereicht hat. Nach fünf Minuten allerdings durchbricht es die Applausordnung und verlässt den Saal. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein. Am Engagement der Bühnenakteure liegt es sicher nicht.
Michael S. Zerban