Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
ORIENT/OKZIDENT
(Jordi Savall & Dimitri Psonis)
Besuch am
13. März 2016
(Abschlussveranstaltung)
Der große Saal der Balloni-Hallen im Kölner Stadtteil Ehrenfeld ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Der letzte Abend des Festes für Alte Musik beginnt. Eingeladen ist Maestro Jordi Savall, der ein Programm mit Musik aus verschiedenen Kulturkreisen aus der Zeit vor dem 15. Jahrhundert zusammengestellt hat. Der Meister der Gambe hat den Perkussionisten Dimitri Psonis mitgebracht, ebenfalls ein Spezialist der Alten Musik und langjähriger Wegbegleiter Savalls.
Ehe das Spiel beginnt, nimmt sich der ehrwürdige Savall Zeit, seinen kürzlich verstorbenen Kollegen Nikolaus Harnoncourt zu würdigen, mit dem er selbst sich sehr verbunden fühlte. Das Mindeste also ist, einem der wichtigsten Wegbereiter der historisch informierten Aufführungspraxis diesen Abend zu widmen.
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Ganz ohne zu moralisieren, allein mit der von ihm zusammengestellten Musik aus Orient und Okzident zeigt Savall die einstige Verbundenheit der Kulturen anhand der Ähnlichkeiten. Die liegen natürlich auch in der Verwandtschaft der verwendeten Instrumente begründet. Virtuos bedient Savall Streichinstrumente wie Rebec und Rebab, während ihm Psonis mit Oud, Santur und verschiedenen Rhythmusinstrumenten sekundiert. Sehr zur Freude des Publikums nimmt sich der Maestro die Zeit, die Instrumente, deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erklären. Und so erschließen sich auch dem ungeübten Hörer die oft nur marginalen Unterschiede in den vorgetragenen Musikstücken, die ansonsten schnell monoton wirken können. Quasi en passant beantworten Savall und Psonis auch die Frage, ob Alte Musik von gestern ist, also nur noch nachgespielt werden kann. Denn was das Publikum zu hören bekommt, sind großenteils Improvisationen zu den überlieferten Stücken und damit brandaktuelle Werke.
Und während der Lokaljournalist mit Einsetzen des ersten Schlussapplauses sicht- und hörbar enttäuscht von dannen zieht, feiert das Publikum die feinen Unterschiede und die beiden Künstler. Es sind auch stehende Ovationen für das Festival, das damit zu Ende geht.
Thomas Höft, Leiter des Zentrums für Alte Musik und damit auch Künstlerischer Leiter des Festes für Alte Musik, zieht hocherfreut Bilanz: Ein neuer Besucherrekord ist nach den ersten Auszählungen verzeichnet, es gab so viele Veranstaltungen und Spielorte wie noch nie. Die Kölner haben das Fest mit wachsender Begeisterung angenommen, und auch im Umfeld steigt das Interesse. Rund zehn Prozent der Besucher, schätzt Höft, kommen aus dem nationalen und internationalen Bereich. Eine Besucherin habe es auf den Punkt gebracht: „Endlich bringen Sie die Alte Musik auf die Straße – darauf mussten wir lange warten.“ Was da im Wortsinne beispielsweise bei Fugit „auf die Straße“ gebracht wurde, war kein Mainstream. Keine leichte Kost. Oder wie bei anderen Festivals an den Haaren herbeigezogen, um noch zum Motto des Festivals zu passen. Mit I have a dream wurden bei praktisch jeder Veranstaltung neue Impulse gesetzt. Einer der stärksten Akzente war sicherlich die Auseinandersetzung mit dem Sterben in Ich habe genug.
Manches hat sich nicht auf den ersten Blick erschlossen. Aber vielleicht entwickelt sich gerade daraus die größte Stärke des Festivals. Dass es den Mut hat, neue und ungewohnte Wege zu gehen, die über den Tag hinausreichen. Hermann-Christoph Müller, Referatsleiter für Musik beim Kulturamt der Stadt Köln, ist jedenfalls nicht nur vor Ort, sondern auch von dem lebendigen Geschehen begeistert. Und im kommenden Jahr, verspricht Höft, wird es noch bunter. Dann findet das Festival unter dem Arbeitstitel Greatest Hits statt. Die größten Schlager der Alten Musik? Einfach erfrischend, wie das Zentrum für Alte Musik den Bürgerinnen und Bürgern von Ehrenfeld, ach, von mindestens Deutschland die Alte Musik schmackhaft macht.
Michael S. Zerban