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HAMLET
(nach William Shakespeare)
Besuch am
14. Februar 2016
(Premiere am 12. Februar 2016)
Shakespeares Hamlet als Musical? Ob das gut gehen kann? So manch eingefleischtem Schauspielfan läuft bei dem Gedanken mit Sicherheit ein Schauer über den Rücken – der Saal aber ist voll mit Neugierigen jeden Alters. Sascha von Donat jedenfalls hatte keine Scheu vor diesem Projekt und ist das Risiko eingegangen.
Popsongs unterschiedlichster Art wechseln sich mit gesprochenen Stellen der Tragödie ab – wobei der Text des Stückes stellenweise recht frei behandelt wird. So wird beispielsweise der wohl berühmteste Satz des Dramas nur in Varianten wiedergegeben: bei der Rezitation des Originals wird er zunächst von der mädchenhaft aufgedrehten Ophelia unterbrochen, im weiteren Verlauf des Stücks hört man Hamlet „Sterben oder nicht sterben“ monologisieren. Das ist wohl ebenfalls Geschmackssache, aber der Stimmung des Abends angemessen. Hier steht nicht die Tragödie im Vordergrund, sondern es wird nach dem witzigen Shakespeare gesucht. Dass der die ein oder andere launige Zeile auch in seinen Trauerspielen verbaut hat, ist bekannt, doch ist der Regieansatz am heutigen Abend stellenweise zu klamaukhaft. Donats Personenführung macht das jedoch wieder wett und so mancher schöne Einfall lässt das Publikum schmunzeln. Besonders hervorzuheben sind die Puppen, die während des Schauspiels im Schauspiel zum Einsatz kommen – hier hat Dieter Flerlage, der auch für die Bühne verantwortlich zeichnet – großartige Arbeit geleistet. Ein toller Einfall, um das entlarvende Drama zu inszenieren. Auch die Choreografien, die viele Darsteller bewegen müssen, sowie die Hebefiguren Güldensterns und Rosenkranzes sind von Lara Diez treffend einstudiert. Richtig turbulent wird es nach der Pause: Das Fechtduell zwischen Laertes und Hamlet – einer der Höhepunkte – ist von Saskia Leder so genial und mitreißend choreografiert, dass man den über die gesamte Bühne wirbelnden Darstellern kaum mit den Augen folgen kann.
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Die Grundidee des Konzepts spiegelt sich auch in den Kostümen von Dorothea Nicolai wieder, die ein toller Hingucker und sehr aufwändig gearbeitet sind. Hier treffen historische Vorbilder und moderne Elemente aufeinander, ebenso wie sich klassisches Schauspiel und Popmusik vereinen. Die Verschmelzung findet also auf mehreren Ebenen statt und unterstützt das Gesamtkonzept. Das Licht von Dominik Jung setzt die Bühne jederzeit in die richtige Stimmung.
Uwe Vogel ist für den Ton verantwortlich und hat ein ganzes Heer an Mikroports zu verwalten – leider zu viele, wie es scheint, denn häufig sind Sänger viel zu leise oder die Mikros werden zu spät hochgeregelt – hier wäre ein genaueres Timing ohne Übersteuerung wünschenswert, denn so gehen viele Einsätze ins Leere.
Die Band unter der Leitung von Forian Caspar Richter besteht aus zwei Keyboards, zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug. Erstaunlich, was für eine Bandbreite an verschiedenen Popsongs heute Abend aufgeführt wird – vom Hiphop-Beat bis zur Pop-Ballade ist alles dabei. Tadellos und professionell spielen die schwarz gekleideten Musiker die verschiedenen Nummern. Leider, leider ist die Songauswahl nicht jedermanns Geschmack und vielleicht etwas zu sehr Mainstream. Man wartet sehnsüchtig auf Queen, bekommt stattdessen die Black Eyed Peas oder Robbie Williams. Trotzdem passen die Songs mehrheitlich erstaunlich gut zur Handlung und verstärken wie in einer Oper die Affekte der jeweiligen Szene. Ein Clou: Zwar sind die Songs im Programmheft abgedruckt, allerdings weiß der Zuschauer nicht, welches Lied an diesem Abend ertönt. So wird jeder Abend eine andere Auswahl an Songs bekommen. Vielleicht hatte das Premierenpublikum mehr Glück?
Das Ensemble besteht aus einer bunten Mischung von Künstlern aller Art. Vom klassischen Sänger über die Straßenkünstlerin bis zum frischgebackenen oder erfahrenen Schauspieler ist alles dabei. Donat und sein Team haben die richtigen Säulen ausgewählt, um das Projekt zum Leben zu erwecken. Auch die Nebenrollen sind so eingesetzt, dass sie zu tragenden Figuren der Handlung werden – schade ist nur, dass nicht alle Darsteller mehr Gelegenheiten zum Singen bekommen, da sind nämlich tolle Stimmen dabei, von denen man gerne mehr gehört hätte. Die Titelpartie wird von Fridjof Buntel vielschichtig in der Darstellung, mit warmer Stimme und viel Gefühl gesungen. Seine Ophelia hat einen eher mädchenhaften, überdrehten Bühnencharakter, was Neele Pettig überzeugend verkörpert. Der dramatische Umschwung in die Verzweiflung steht ihr aber ebenso. Ihre gesangliche Darbietung klingt nach Musical und hätte etwas mehr tonale Stringenz vertragen, dennoch passt ihre Stimmfarbe gut zur Rolle. Dass die beiden Hofdamen, Mona Mucke und Maria Noeßler, mitunter eine interessantere Stimme vorweisen können, lässt Fragen zur Besetzungspolitik aufkommen. Daniel Müller als Horatio darf als fast einziger Überlebender am Ende stehen, er glänzt mit hervorragender gesanglicher Darbietung, da möchte man gerne mehr hören. Swetlana Saam gibt Gertrude, die Königin und Mutter Hamlets, voller Anmut und mit dem Anflug eines ironischen Zwinkerns im Auge. Sie hat eine sinnliche, tiefe Stimme. Ihr neuer Ehemann, König Claudius, wird von Peter Saurbier mit vielseitigem Stimmorgan und darstellerischer Präsenz gegeben – toll, dass er sich einmal ans Keyboard setzt und sich selbst begleitet. Sein Let me entertain you hat es wirklich in sich. Ansgar Sauren als Laertes sieht sehr gut aus, bleibt aber zuweilen etwas blass. Dafür trumpft er beim Duell auf und nimmt das Publikum als leidenschaftlicher Bruder und Sohn für sich ein. Stephan Wurfbaum als sein Vater Polonius merkt man die Erfahrung als Darsteller und Musiker an – toll, wie er One day aufführt. Leider muss seine Partie recht schnell das Zeitliche segnen, und so kommt das Publikum nur kurz in den Genuss seines Könnens. Lisa Lehmann als Güldenstern und Thomas Wissmann als Rosenkranz sind ein erstaunliches Paar. Sie, federleicht und zierlich, turnt auf dem großen Wissmann herum, der sie die ganze Zeit auf der Bühne in den verschiedensten Positionen trägt. Beide verkörpern einen der guten Regieeinfälle und unterhalten den Saal mit frechen Grimassen und kecken Bemerkungen, und auch stimmlich harmonieren beide Gegensätze. Einige der Darsteller übernehmen zwei oder sogar drei kleinere Partien und beweisen damit ihre Vielseitigkeit: Daniel Sprint als heroischer Fortinbras/Edelmann und Claudio Pagonis als Priester/Schauspielchef, der einer engagierten und heterogenen Truppe voransteht, überzeugen ebenso wie Stefan Peters, der einen kernigen Totengräber/Voltimand gibt, und Maria Noeßler als launige Matrosin/Totengräberin.
Mit einem reißenden Song einzusteigen, scheint etwas gewagt, denn das Publikum lässt sich zu Beginn zu Reaktionen bitten. Erst beim Schlussapplaus offenbart sich die Begeisterung, und wie sollte es anders sein: Es wird mitgeklatscht. Jedoch scheint die Freude auf der Bühne die des Publikums noch zu übertreffen, und so geht man mit dem guten Gefühl nach Hause, dass zahlreiche Menschen eine Menge Spaß zusammen hatten.
Miriam Rosenbohm