Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
(Leoš Janáček)
Besuch am
5. November 2015
(Premiere am 9. März 2014)
Janáčeks kontemplativste Oper erzählt vom ewigen Kreislauf von Leben und Tod und einer pantheistischen Ganzheitlichkeit von Mensch und Natur. Es gibt keine ganz durchgängige Handlung und viele Bezüge und Erinnerungen der handelnden Personen sind mehrdeutig angelegt.
Der Regisseur Johannes Erath und sein Team mit Bühnenbildnerin Katrin Connan, den Kostümen von Katharina Tasch, und Joachim Klein, zuständig für die Lichtgestaltung, lassen daher Elemente der Tier- und Menschenwelt übergangslos in Bild, Kostüm und Maske verschmelzen, etwa durch Zwischenvorhänge mit Waldmotiven, Mode der 1920-er Jahre mit Tierelementen und filmische Komponenten. Die Dorfkneipe und andere Szenen der Menschenwelt sind Teil des Waldes und der Tierwelt und umgekehrt.
Musik | |
Gesang | |
Regie | |
Bühne | |
Publikum | |
Chat-Faktor |
Die teilweise disparaten Handlungselemente werden klug und fast unmerksam fortgesponnen. Die Melancholie angesichts der Endlichkeit des individuellen Lebens von Mensch und Tier sowie die gleichzeitig empfundene Geborgenheit, Teil einer alles umfassenden, für alle Kreaturen gleichwohl nicht fassbaren Ganzheitlichkeit zu sein, sind der eigentliche Inhalt. Anfang und Ende im strengen Sinne gibt es nicht. Alles ist Teil eines ewigen und tröstlichen Kreislaufs. Reale Szenen gehen über in Erinnerungen und Träume. Menschen und Tiere sind mitunter auf der Bühne, auch wenn sie im Textbuch in der Szene gar nicht vorkommen. Reflektion und Projektion männlicher erotischer Phantasien kommt eine nicht unerhebliche Rolle zu.
Es handelt sich um eine gelungene und einfühlsam umgesetzte, erst zweite Produktion des Werkes aus dem März vergangenen Jahres nach der Hamburgischen Erstaufführung 1976, damals noch in deutscher Sprache.
Die anspruchsvolle, auf Tschechisch und ohne Pause gespielte Inszenierung beinhaltet nicht wenige quasi filmische Szenenwechsel mit magisch sich verschiebenden Bildelementen und zeichnet sich durch eine diffizile Personenführung aus, die allerdings im Repertoirebetrieb, durch Neubesetzungen und eventuell zu geringe Probenzeit für die aktuelle Aufführungsstaffel nicht immer durchgängig auf den Punkt kommt. Zwischenvorhänge bewegen sich nicht „taktgenau“, die Theke der Dorfwirtschaft, die auch als bewegliches Podium für das Ensemble dient, wird nicht punktgenau bewegt, der Chor wirkt zeitweise unsicher, wenn es zum Beispiel darauf ankäme, durch kraftvolles Auftreten den Witz der Hühnerszene voll auszuspielen.
Gleichwohl gibt es überragende Leistungen im Sängerensemble. Hayoung Lee als Füchsin trägt von Beginn an diese Produktion. Sie gestaltet stimmlich und darstellerisch die Partie perfekt. Ihr zur Seite ist Hellen Kwon ein überzeugender, oft ironisch-machohafter Partner Fuchs. Renate Spingler und Peter Gaillard singen und spielen bewährt Försterin und Eule beziehungsweise Schulmeister und Mücke. Sergei Leiferkus ist als Förster seit dieser Spielzeit neu besetzt.
Kleinere Partien der Dorf- und Tierwelt werden überzeugend von Mitgliedern des Internationalen Opernstudios der Staatsoper Hamburg und der Hamburger Alsterspatzen unter der Leitung von Jürgen Luhn verkörpert, die oft durch liebevolle Charakterisierungen der Rollen auffallen.
Der Chor in der Einstudierung von Christian Günther überzeugt stimmlich, wenngleich darstellerisch manches etwas steif daherkommt.
Das Philharmonische Staatsorchester unter Alexander Vedernikov spielt anfangs mit leicht pedalhaftem Streicherklang, blüht jedoch im weiteren Verlauf auf. Die bei Janáček typische, kürzelhafte, expressionistische Motivik kommt bei Fortgang der Aufführung mit den vom Komponisten intendierten rauen Tönen und lyrischen Ausbrüchen hervorragend zum Ausdruck. Das betrifft insbesondere alle Holz- und Blechbläsergruppen bei der Bewältigung des anspruchsvollen, im Repertoirebetrieb nicht eben gängigen Orchestersatzes.
Herzlicher Applaus für das gesamte Ensemble mit Bravorufen für Hayoung Lee als Füchsin.
Die Vorstellung an einem Donnerstag ist nicht eben gut verkauft – man wird im Hohen Norden sehen müssen, wie man den Menschen wieder mehr Interesse und Neugier vermitteln kann, sich auf eine neue Zeit an der Hamburgischen Staatsoper einzulassen.
Achim Dombrowski