Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Klaus Lefebvre

Aktuelle Aufführungen

Kammerspiel in der Dunkelkammer

EUGEN ONEGIN
(Peter Tschaikowsky)

Besuch am
11. März 2016
(Premiere am 5. März 2016)

 

 

Theater Hagen

Ein großer Wurf ist der neue Eugen Onegin am Theater Hagen nicht geworden. Man mag sich zwar darauf berufen, dass Tschaikowsky selbst für seine Puschkin-Oper den Verzicht auf aufwändigen Deko-Pomp einforderte, dass er sich ein blutjunges Ensemble vorstellte und mit der merkwürdigen Gattungs-Bezeichnung „Lyrische Szenen“ allzu plakativem Theaterdonner vorbeugen wollte. Das alles bringt die Theaterleute allerorten in Bedrängnis, hat der Popularität des Werks jedoch nichts anhaben können. Das Hagener Team nimmt Tschaikowskys Vorgaben geradezu wörtlich und gebiert eine Produktion, die in keinem Punkt mittelmäßige Werte übertrifft. Das gilt nicht nur den künstlerischen Qualitäten, sondern auch der Stimmungslage, die die Aufführung vermittelt. Nichts begeistert vollauf, nichts enttäuscht auf ganzer Linie. Die „Langeweile“ der russischen Gutsfamilie, die die ersten 80 Minuten des Stücks beherrscht, überträgt sich auch auf die Zuhörer. Szenisch und leider auch musikalisch. Und nach der Pause schaltet man allenfalls einen Gang höher.

Es ist ein feines Kammerspiel in der Dunkelkammer mit hübsch ausgeleuchteten Figuren, das der Berliner Regisseur Holger Potocki durchaus durchdacht und detailliert, insgesamt aber allzu brav inszeniert. Selbst in den wenigen dramatischen Momenten köcheln die Gefühle auf Sparflamme. Es ist gewiss hübsch, wenn Tatjana die Briefszene mit Manuskriptfahnen wie eine Ballerina durchtanzt. Es überwiegen jedoch ereignisloser Stillstand oder, vor allem in den Chorszenen, steife Statuarik. 

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Potocki gelingt es nicht, die optische Leere der Bühne durch eine lebendige Personenführung vergessen zu lassen. Bühnenbildnerin Tanja Hofmann belässt es nämlich bei einem schwarzen, meist völlig leeren Bühnenraum, der zeitweise durch rote Blumen umsäumt wird und dem Regisseur nicht nur alle Freiheiten lässt, sondern auch die volle Bürde des Geschehens aufträgt. Mit bescheidenem Erfolg.

Foto © Klaus Lefebvre

Besonders bedauerlich, dass auch Hagens Erster Kapellmeister Mikhail Gerts am Pult des alles andere als sattelfest aufspielenden Philharmonischen Orchesters Hagen den Karren nicht so recht in Schwung bringen kann. Die narkotisierende Wirkung der Inszenierung findet im Orchestergraben ihre Fortsetzung. Erstaunlich viele Wackelkontakte zwischen Chor und Orchester verstärken den für Hagen ungewöhnlich matten Eindruck. Präsent agiert das Orchester schon, was freilich nicht die Textverständlichkeit der Aufführung fördert. Man singt zwar deutsch, verzichtet aber auf Übertitel, wobei sich die Stimmen auf der leeren Bühne oft verlieren und selbst gegen das nicht übermäßig massiv aufspielende Orchester keine Chance haben.

Man legt zwar Wert auf junge Sänger, die sich allerdings teilweise noch überfordert zeigen. Dazu zählt auch das an sich erfahrene und verdienstvolle Ensemblemitglied Veronika Haller. Eine Sopranistin, die der Rolle der Tatjana mehr emotionale als stimmliche Wärme entgegenbringt. Mit vokalen Schärfen hat auch die spielfreudige Kristina Larissa Funkhauser als Olga zu kämpfen. Und Kenneth Mattice macht als Eugen Onegin zwar eine gute Figur, investiert jedoch sowohl in die Darstellung als auch die stimmliche Präsentation zu wenig Gefühlsintensität. Der Tenor von Keija Xiong erweist sich für den Lenski als zu eng dimensioniert. Recht nobel der Gremin von Ilkka Vihavainen, der Rest zufriedenstellend. Der Chor hat in der ersten Reprise noch mit etlichen Unsicherheiten zu kämpfen.

Das Publikum reagiert wohlwollend, freundlich und passt sich damit dem Duktus der mittelmäßig vor sich hinplätschernden Aufführung an.

Pedro Obiera