Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
IL BARBIERE DI SIVIGLIA
(Giacchino Rossini)
Besuch am
8. Juni 2016
(Premiere am 22. Mai 2016)
Der Wettergott ist einmal mehr gnädig, und die englische Landschaft zeigt sich von ihrer besten Seite. Blühende Blumen, üppig grüne Wiesen, zum Teil gemäht, zum Teil mit äsenden Schafen umrahmen das Festspielgelände. Das Publikum genießt den lauen Sommerabend bei einem Drink im Picknickstuhl und wartet entspannt auf den Beginn der Aufführung.
Drinnen im hellen, holzvertäfelten, neuen Opernhaus stimmt das helle Bühnenbild sommerlich südlich. Etwas verloren steht ein geschlossener Fensterrahmen auf der Bühne, die von Joanna Parker gestaltet wurde, das Haus von Doktor Bartolo andeutend. Lindoro versucht, mit großem Gitarrenorchester seine Geliebte zum Fenster zu locken. Transvestitengleiche Gestalten begleiten die holprige Serenade mit mystischen Bewegungen. Die angebetete Rosina und ihr misstrauischer, die Mitgift begehrender Vormund erscheinen verspätet im wackeligen Bühnenaufbau. So beginnt diese Inszenierung von Annabel Arden, die bereits mehrmals in Glyndebourne gearbeitet hat. Übertrieben gestenreich gestaltet, geht es weiter an diesem Abend. Man versucht gezwungen, Unterhaltung und Bewegung zu erzeugen, wo bereits Musik und Libretto vorbildlich zusammenwirken. Auch der Dirigent, Enrique Mazzola muss mit ins Geschehen eingreifen. Es gibt viele Szenenlacher und Applaus, aber der Fluss der Oper leidet.
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Ein sehr junges, gutaussehendes Sängerensemble tut sein Bestes. Wirklich runde Bühnenleistung kommt aber von Alessandro Corbelli als Bartolo, der mit seinem Gesichtsausdruck und lebhaften Augen urkomisch wirken kann. Sein Bariton ist vollmundig in der Tiefe, geschmeidig in der Höhe. Einen breiten Umfang hat auch die Stimme von Björn Bürger als Figaro, aber es fehlt ihr an Körper und Timbre. Mit seinen blonden Haaren und den blendendweißen Zähnen wirkt er wie ein Friseur auf dem Laufsteg. Er hält das ausufernde Geschehen zusammen und gewinnt so die Herzen. Im langen silbernen Mantel, Koteletten und Schmalzlocke wirkt Taylor Stayton als Count Almaviva wie von einem anderen Planeten. Sein Tenor klingt warm und dunkel, in der Höhe intoniert er unsicher, aber sein Belcanto überwiegt, und im Duett mit der geliebten Rosina, gesungen von Danielle de Niesi kommen schöne Momente auf. Dunkelhäutig, mit voller Mähne ist sie ein schwungvolles, temperamentvolles Mündel, das den Herren einiges zu lösen aufgibt. Ihre Koloraturen wirken unkonzentriert, teils mit Überdruck in der Höhe. Sehr überzeugend mit mächtiger Stimme und Körperfülle tritt Christophprus Stamboglis als Basilio an. Sein Gottesvertreter wirkt menschlich und verständnisvoll. Hart und schrill setzt Janis Berty ihre Stimme als die lebenslustige Berta ein.
Italienisch koloriert ist das Dirigat von Enrique Mazzola. Er hält das London Philharmonic Orchestra in Schwung, lässt die Musiker lebendig aufspielen, bleibt aber kammermusikalisch transparent. Instrumentensoli und Cembalo gelingen exakt und stützen die Sänger.
Viel Jubel und große Begeisterung am Ende vom zumeist englischen Publikum, dessen Humor von Annabel Arden getroffen wurde.
Helmut Pitsch