Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
B.28
(Martin Schläpfer)
Besuch am
29. Mai 2016
(Premiere)
Mit drei Balletten, jeweils etwa eine halbe Stunde lang, darunter zwei Uraufführungen, setzt das Ballett der Deutschen Oper am Rhein einen stattlichen, inhaltlich aber etwas unverbindlichen Schlusspunkt der auslaufenden Saison. Für sein Programm b.28 verlässt sich Ballettdirektor Martin Schläpfer auf drei namhafte oder zumindest hoffungsvolle Gastchoreografen. Dass die drei unabhängig voneinander entstandenen Stücke eine konzeptionelle Struktur erkennen lassen, dürfte als glücklicher Zufall gewertet werden.
Der Amerikaner Paul Taylor legt es in seinem Klassiker Esplanade auf schwingende Bewegungen von anmutiger Schwerelosigkeit in lichten Farben an, während der junge Südafrikaner Hubert Essakow in seinem taufrischen Stück Tenebre eine dunkel getönte, streng gezirkelte Gegenwelt anstrebt. Und Altmeister Nils Christie scheint in seinem neuesten Werk Different Dialogues beide Sphären vereinen zu wollen.
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Die Intention Paul Taylors liegt in dem Versuch, fast 30 Minuten lang eine Compagnie in Bewegung zu halten, ohne auf klassische Tanzschritte zurückgreifen zu müssen. Das Ergebnis ist ein Bewegungsfluss von charmanter, verspielter Natürlichkeit, den die Tänzer und Tänzerinnen des Rheinopern-Balletts vor dem schillernd blauen Hintergrund der Lichtdesignerin Jennifer Tipton mit großem Vergnügen auf hohem Niveau ausführen. Nichts Akademisches stört den sympathischen Ablauf, der freilich in seiner naiven Wirkung auf Dauer recht unverbindlich willkürlich wirken könnte. Wenn man nicht mit dem Violinkonzert in E-Dur sowie zwei Sätzen aus dem Doppelkonzert für zwei Violinen von Johann Sebastian Bach eine musikalische Struktur eingebracht hätte, die auf den Tanz abfärbt. Höfische Künstlichkeit wird trotzdem vermieden. Es spricht für die Erfahrung Taylors, wie raffiniert er seinen putzigen Tänzchen durch die Musik Bachs ein scheinbar gehaltvolles Gewicht überstülpt, das seine Choreografie allein nicht aufbringen kann.
Ganz anders geht Hubert Essakow in Tenebre vor. Aus dem Dunkel der Bühne schälen sich die schwarz, teilweise schwarz-weiß gewandeten Tänzer lemurenhaft aus einer undurchdringlichen Menschentraube. Mit der gekonnten Lichtregie von Mark Doubleday hellt sich die Bühne nur langsam auf, und die Figuren zelebrieren Bewegungsabläufe, die immer strenger werden und fast akademisch gezirkelt wirken. Interessant, dass die Musik in diesem Stück gegenläufig zu der von Taylors Esplanade ausschlägt. Die minimalistischen Tonketten in der verwendeten Musik von Bryce Dessner können auf Dauer narkotische Reaktionen nicht ausschließen und verleihen dem Tanz einen mechanischen Anstrich. Wertet Bach Taylors Arbeit auf, banalisieren Dessners Klänge das neue Stück von Essakow, dem Merle Hensel mit dunklen, rätselhaften, teilweise religiös anmutenden Bildern einen optisch schwergewichtigen Akzent verleiht.
Ein Faible für Minimal Music hat auch Nils Christie. In seiner neuesten Kreation Different Dialogues verwendet er gleich mehrere Sätze aus der 3. Sinfonie und dem Violinkonzert des Minimal-Gurus Philip Glass. Eine austauschbar munter vor sich hin sprudelnde Klangkulisse, zu der das Ensemble in großer Besetzung Dialogformen in allen denkbaren Varianten ausführt. Zärtlich und brutal, anmutig und kraftvoll. Christie, der erfahrene Routinier, breitet einen eindrucksvollen Katalog tänzerischer Dialogformen aus, den das Rheinopern-Ballett nicht minder motiviert und sorgfältig realisiert wie die anderen Stücke. Zumal in dieser Arbeit besonders viele Tänzer mit dankbaren solistischen Aufgaben betraut werden.
Insgesamt hinterlässt der Abend einen spielerisch leichten Eindruck, auch wenn sich manche Längen einschleichen. Unbegrenzt ist das Bewegungsreservoir auch für Meister ihres Handwerks nicht, wenn sie Stücke von abstrakter Inhaltslosigkeit zelebrieren.
Zu erwähnen sind noch die Düsseldorfer Symphoniker unter Leitung von Aziz Shokhakimov und die Violin-Solisten Dragos Manza und Egor Grechishnikov sowie der Bratscher Ralf Buchkremer, die für eine angemessene Klangkulisse sorgen.
Das Publikum reagiert mit euphorischer Begeisterung. Angesichts der tänzerischen Leistungen zu Recht, angesichts der Choreografien recht undifferenziert.
Pedro Obiera