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DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR
(Otto Nicolai)
Besuch am
24. Juni 2016
(Premiere)
Die Saison der Deutschen Oper am Rhein verlief ohne nennenswerte Höhepunkte. Und die zaghafte Programmgestaltung der kommenden Spielzeit lässt nicht auf frische Impulse hoffen. Mit ihrem fehlenden Wagemut manövriert sich die Rheinoper zunehmend in eine Nische der Mittelmäßigkeit, die außerhalb Düsseldorfs und Duisburgs kaum noch wahrgenommen wird. Einzelne künstlerische Höhepunkte und das immer noch starke überregionale Interesse an den Ballett-Erfolgen Martin Schläpfers reichen auf Dauer nicht aus, um diese Irrfahrt in die Bedeutungslosigkeit aufhalten zu können.
Die letzte Premiere der Saison kann als symptomatisch für diesen Kurs angesehen werden: Otto Nicolais Oper Die lustigen Weiber von Windsor mangelt es nicht an zugkräftiger Popularität. Ein in den letzten Jahren stark domestizierter Regisseur wie Dietrich W. Hilsdorf verbürgt handwerkliche Professionalität ohne Provokationen, und wenn ein Sänger vom Format Hans-Peter Königs die Paraderolle des Falstaff singt, kann nicht alles schief gehen.
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Richtig vermutet: Schief geht in der Neuinszenierung tatsächlich nichts Wesentliches. Aber genügt das für einen packenden Opernabend, geschweige denn für eine auf- und erregende Programmpolitik?
Zumal man die lustigen Weiber nicht unterschätzen sollte. „Komisch-fantastische Oper“ nennt Otto Nicolai seine Shakespeare-Vertonung, eine der schönsten musikalischen Komödien, die wir der romantischen Shakespeare-Rezeption zu verdanken haben. Wer das Werk ernst nimmt wie Hilsdorf, gerät allerdings schnell in Konflikte, wenn er sich entscheiden soll, ob das 1839 uraufgeführte Werk als Spieloper, komische oder fantastische Oper oder gar als Schauerdrama aufzufassen ist. Hilsdorf versucht, möglichst viele Fassetten zu bedienen und nimmt dem Stück gerade dadurch eine Menge von seinem Schwung und Charme.
Dazu trägt ausgerechnet auch die liebevoll ausgestaltete, opulente Ausstattung von Dieter Richter bei. Caspar David Friedrichs Abtei im Eichwald ziert nicht nur den Vorhang, sondern steht auch für die Spielorte Pate. Das biedermeierlich geschmückte Gasthaus entpuppt sich als verfallene Ruine aus mittelalterlichen Zeiten, in der der Mummenschanz des Schlussaktes den Charakter einer schwarzen Messe annimmt. Eine Ku-Klux-Klan-ähnlich vermummte Gesellschaft drängt den liebestollen Junker in einen Sarg, in dem er bis zum Schlussbeifall ausharren muss. Das wirkt stellenweise beklemmend und entspricht Hilsdorfs rigorosem Verzicht auf Klamauk der unteren Schublade. Es scheint fast, als wolle Hilsdorf die Komik des Librettos geradezu mit spitzen Fingern anfassen, als möchte er der Handlung durch langatmige, teilweise ohnehin zu leise oder undeutlich gesprochene Dialoge eine Tiefe geben, die das Werk nicht trägt und die den Abend inklusive zweier Pausen auf dreieinhalb lange Stunden dehnt. Das geht auf Kosten des Elans. Trotz freizügig im Beichtstuhl agierender Damen vom ältesten Gewerbe der Welt.
Da kann Axel Kober am Pult der Düsseldorfer Symphoniker noch so stark an der Temposchraube drehen und auf die dynamische Tube drücken: Ein lastender Hauch von deplatzierter Schwere lässt sich nicht wegfegen. Weder im intriganten Geplänkel der Damen noch im Elfenspuk des Finales. Von Wackelkontakten zwischen Orchester und Bühne ganz zu schweigen.
Hans-Peter König als Falstaff verströmt mit seinem voluminösen, kultiviert geführten Bass reinen vokalen Balsam. Allerdings sind seine komödiantischen Fähigkeiten begrenzt. Das ist zwar immer noch besser als das klamaukhafte Schmierentheater mancher seiner Kollegen, vor allem aus früheren Zeiten. Die Längen des Abends vermag freilich auch er nicht zu lindern. An Spielwitz und stimmlicher Biegsamkeit mangelt es Anke Krabbe als Frau Fluth ebenso wenig wie Martha Marquez als Frau Reich. Dass Luiza Fatyol als Jungfer Anna mit ihrer recht schweren Stimme unter den Damen die stärksten lyrischen Qualitäten aufweist, passt zur nachdenklich ausgerichteten Stoßrichtung der gesamten Produktion.
Von den Herren kann neben Hans-Peter König lediglich Richard Šveda als kultiviert, aber kraftvoll agierender und stimmlich makelloser Gatte der Frau Fluth überzeugen. Der Rest der Männerriege einschließlich des einförmig und steif singenden Fenton von Ovidiu Purcel bleibt erstaunlich blass. Das betrifft sogar den verlässlichen Sami Luttinen als harmlos agierenden Herr Reich. Und auch Florian Simson als Spärlich und Daniel Djambazian als Dr. Cajus müssen sich mit einer routinierten und faden Charakterisierung zufriedengeben.
Das Premieren-Publikum reagierte durchweg begeistert auf das zahnlose Saison-Finale.
Pedro Obiera