Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
ANTES
(Guilherme Botelho)
Besuch am
15. Juli 2016
(Einmaliges Gastspiel)
Er stammt aus São Paulo, schloss sich nach seiner Tanzausbildung den Choreografen des Genfer Theaters an und gründete schließlich seine eigene Compagnie Alias, mit der er einen Erfolg nach dem anderen feiert: Guilherme Botelho.
Sein neuestes Stück stellt Botelho mit seiner Compagnie jetzt im Rahmen des Asphalt-Festivals im Düsseldorfer Central vor. Der Titel: Antes. Im Brasilianischen bedeutet das so viel wie früher oder vorher. Was der Titel für das Stück bedeutet, erfährt der Besucher – fast möchte man schon sagen: wie üblich – nicht. Denn es geht nicht etwa um Vergangenheit oder Vergängliches, sondern um Bäume.
Musik | |
Tanz | |
Choreografie | |
Bühne | |
Publikum | |
Chat-Faktor |
Blendend begrüßt die Bühne das Publikum mit deutlicher Verspätung. Es ist keine lustige Idee, Strahler auf das Publikum richten zu lassen, um die auf der großen, leeren Bühne liegenden zwölf nackten Tänzerinnen und Tänzer vor den verfrüht neugierigen Blicken der Zuschauer zu schützen. Auch sonst beweist Jean-Philippe Roy wenig Fantasie beim Licht. In der „Kälte“ von LED-Scheinwerfern wird der Körper erbarmungslos dargestellt.
In der Choreografie vertraut Botelho in erster Linie auf schonungslose Nacktheit, ein paar Yoga-Übungen, wenige Bewegungsmuster und ein paar Effekte. Zugegeben, wenn nackte, durchtrainierte Tänzer Yoga praktizieren, dabei einzelne Muskelpartien betonen, bleibt die Faszination nicht aus. In den Bewegungsphasen agieren die „Bäume“ mit schlagenden Ästen. Eine nette Idee. Wenn nur das Material ein paar mehr Idiome hätte. So erschöpft sich die zweite Hälfte in Wiederholungen. Erst der Wasserfall aus lebenden Körpern – was auch immer er mit Bäumen zu tun hat – mit seinen abermals schier endlosen Wiederholungen bietet noch einmal einen echten Höhe- und Schlusspunkt.
Die Geräuschuntermalung von Murcof bietet viel und vor allem lautes Rauschen. Vorbei die Zeiten, in denen Komponisten sich den Geräuschen des Waldes mit Instrumenten, Fantasie und Virtuosität näherten. Stattdessen gibt es „fetten Sound“ bis nahe an die Trommelfell-Schädigung.
Ein Spektakel, und dem Publikum gefällt’s. Füße trampeln, und die Menschen erheben sich, um zu applaudieren. Wie schön, dass ein wahrhaftiger nackter Körper auch in Zeiten inflationärer Internet-Pornographie noch so viel Begeisterung auslöst.
Michael S. Zerban