Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Matthias Heyde

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Unerreichbare Nähe

DAS SCHWARZE WASSER
(Vivian Bhatti, Ketan Bhatti)

Besuch am
21. Januar 2016
(Uraufführung)

 

 

Neuköllner Oper, Berlin

Eine laue Sommernacht lädt zu Leichtsinn ein:  Deutsche und deutschtürkische Jugendliche klettern über einen Zaun und treffen sich unerwartet am Rande eines Schwimmbades. Im schwarzen Wasser, wo sich nur die Sterne spiegeln, lernen sie sich kennen und lieben. Es sind die Kinder von türkischen Gastarbeitern und Unternehmern, deutscher Politiker und Studienräte. Wenn sie im schwarzen Wasser schwimmen, sind sie alle gleich. Sie lachen, sie feiern, die ganze Welt steht ihnen offen. Zwanzig Jahre später kreuzen sich ihre Wege wieder. Jetzt ist alles anders. Frank, der deutsche Ministersohn, steht vor seinem größten Karrieresprung, Leyla, Tochter türkischer Einwanderer, bleibt an der Kasse im Supermarkt.  Sie treffen sich zufällig auf der Straße an einem nassen Novemberabend. Leyla bricht zusammen, Frank bringt sie in ihre Wohnung und wird mit der Realität konfrontiert. Kurz danach erleidet Frank einen Zusammenbruch. Wie es dazu kam, was die Konsequenzen sind, dass wird von einem Journalistenteam in der Redaktion einer Tageszeitung anhand von aufgetauchten Bildern, in einer reißerischen Enthüllungsstory aufgedeckt.

Roland Schimmelpfenning, der zurzeit meistgespielte Gegenwartsdramatiker Deutschlands, bringt Das schwarze Wasser erstmals nach Berlin. Michael Höppner hat die Textfassung erarbeitet und zeichnet für die Regie verantwortlich. Die sechs Journalisten alternieren mit den Rollen der Personen, die sie recherchieren.  Die Verwandlung der Rollen geschieht in atemberaubender Geschwindigkeit und mit einfachsten Mitteln:  Ein Mantel wird angezogen, die Haltung verändert, der angehende Politiker wird von einer strengen Ehefrau zu Rede gestellt; ohne Mantel ist er wieder der junge Frank, verliebt in Leyla; eine Aktentasche und Krawatte verwandeln ihn in den erfolgreichen Journalisten, der mit seinen Kollegen am Redaktionstisch sitzt und die Story aufdeckt. Und das alles gilt für sechs Charaktere. Was anfänglich noch als toller Sprung zwischen den Perspektiven und Zeitebenen vernommen wird, wirkt im zweiten Teil etwas ermüdend. Zumal schnell klar wird, was die Botschaft des Stückes ist – Chancengleichheit gibt es nicht, wir müssen alle mit unserer Vergangenheit leben, um die Gegenwart zu bewältigen, und die Medien werden sich oberflächlicher Vorurteile zur Erhöhung der Verkaufsquoten bedienen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Das Publikum sitzt U-förmig um einen überdimensionalen, sechseckigen, schwarzen Redaktionstisch. Judith Philipp hat somit ein ideales Bühnenbild entworfen, welches sich mühelos als begehbare Plattform, Schwimmbad oder Einkaufsstraße einsetzen lässt. Sie zeichnet auch für die modernen Kostüme und Requisite verantwortlich, die einfallsreich und versatil eingesetzt werden.

Foto © Martin Koos

Das multikulturelle Ensemble besteht aus sechs Akteuren, die alle in mehrfachen multikulturellen Rollen auftreten.  Da ist die Sopranistin Hrund Ósk Árnadóttir, wohlerzogene Ehefrau und Journalistin, die mit ihrem strahlenden Sopran überzeugt. Tenor Robert Elibay-Hartog in der Rolle von Frank und Journalist gibt ein tolle schauspielerische Leistung. Die überaus zierliche Leyla wird großartig von Marielou Jacquard porträtiert. Auch Magnus Hallur Jónsson, Katarina Morfa und Angelos Samartzis erfüllen Ihre diversen Rollen mit Stimme und Leben.

Die Musik der Brüder Vivan und Kheta Bhatti verdeutlicht die Sehnsucht, die auf die Erfüllung verschiedenster Träume hofft, aber dann doch an der Realität der gescheiterten Erwartungen zerbricht. Ein achtköpfiges Kammermusikensemble, das Yonatan Cohen vom Klavier aus leitet, setzt diese Emotionen sensibel um. Rhythmen populärer Musik und oratorischer Chor alternieren mit rezitierten Passagen; Songs und Arien drücken mit Mitteln experimenteller Musik eine dynamische Musiksprache aus.

Anhaltender Applaus für alle Beteiligten des durchaus altersgemischten Publikums für ein sehr gelungenes musiktheatralisches Stück, das einige der gegenwärtigen gesellschaftlichen Probleme anspricht.

Zenaida des Aubris