Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Alle Fotos © Peter C. Theis

Aktuelle Aufführungen

Finnische Urkraft

KULLERVO GOES BERLIN
(Deutsch-skandinavische
Jugend-Philharmonie)

Besuch am
5. Januar 2016
(Einmalige Aufführung)

Deutsch-Skandinavische
Jugend-Philharmonie,
Großer Saal der Philharmonie Berlin

Schon zum 40. Mal findet das Abschlusskonzert der Deutsch-Skandinavische Jugend-Orchesterwoche in Berlin statt, unter Schirmherrschaft der Finnischen Botschaft. 1984 hat Dirigent Andreas Peer Kähler, der schon seit 1981 Künstlerischer Leiter dieses Orchesters ist, diese jährliche Veranstaltung initiiert. Das etwa 90 bis 10o Mitglieder starke Jugendorchester kommt für intensive Arbeitsphasen zusammen und setzt sich mittlerweile mit Mitgliedern aus über 20 Nationen zusammen. Während dieser Phasen haben die jungen Musiker Gelegenheit, unter Anleitung von hochkarätigen Dozenten ein Programm für das Abschlusskonzert zu erarbeiten.

Das Programm für dieses Jahr fällt besonders anspruchsvoll aus:  Zum Einstieg gibt es fünf Lieder aus Gustav Mahlers Des Knaben Wunderhorn mit der Mezzosopranistin Tuuri Dede und dem Bariton Simon Barrad als Solisten. 

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Es ist Tradition, dass die Deutsch-Skandinavische Jugendphilharmonie ein Werk in Auftrag gibt, welches dann bei dem Abschlusskonzert zur Welturaufführung kommt. Dieses Jahr war es Sisua Perkele von Andreas Peer Kähler.  Wörtlich übersetzt heißt das „teuflische finnische Urkraft“ und ist eine virtuose Folge einzelner finnischer Worte oder Redewendungen. Der Männerchor Euga unter der Leitung seines Dirigenten Visa Yrjölä hat hier Gelegenheit, die Bandbreite seines Könnens zu zeigen. Witzig, wendig und augenzwinkernd kostet jedes einzelne Mitglied des Chores die Klang- und Ausdrucksmöglichkeiten der zum Teil tollen Flüche, idiomatischen Ausdrücke und Namen aus der finnischen Mythologie. Virtuose musikalische Untermalung erhält die Komposition vom Kontrabassisten Janne Saksala, der übrigens erster Solo-Bassist bei den Berliner Philharmoniker ist. Dazu noch die swingenden Akzente des teilweise karibisch klingenden Schlagzeugs sorgen für ein sehr passendes Werk für dieses Programm.

Simon Barrad und Tuuri Dede als Solisten - Foto © Peter C. Theis

Der „Hauptgang“ des Abends ist allerdings das epische Werk von Jean Sibelius, Kullervo. Als Sinfonische Dichtung für Sopran, Bariton, Männerchor und Orchester ist es kein „normales“ Werk. Sibelius war knapp 26 Jahre alt, als er die Kullervo-Sage als Sujet für sein erstes großes Orchesterwerk auswählte. Das 70-minütige Werk, in dem Familiengewalt und Inzest eine zentrale Rolle spielen, war schon bei der Uraufführung 1892 ein Erfolg, als ein Stück, welches musikalisch die Seele Finnlands auszudrücken vermochte.

Unter der Leitung von Kähler spielt die Deutsch-Skandinavische Jugendphilharmonie dieses monumentale Stück mit viel Einfühlungsvermögen und auf hohem Niveau. Dazu kommen der 25-Stimmen starke Männerchor Euga und der Knabenchor Berlin unter der Leitung von Karl-Ludwig Hecht, die den – für unsere Ohren sehr anspruchsvollen – finnischen Text hervorragend wiedergaben. Einzig die Stimmen der Mezzosopranistin Tuuri Dede und des Baritons Simon Barrad gehen in den Höhen und Tiefen der Akustik der Philharmonie großenteils verloren.

Wohlverdienter, anhaltender Applaus der fast zur Gänze ausverkauften Philharmonie. Skandinavier, insbesondere Liebhaber der Musik von Sibelius, sind voll auf ihre Kosten gekommen.

Zenaida des Aubris