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Foto © Robert Recker

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Plädoyer für Mischa Spoliansky

HEUTE NACHT ODER NIE
(Mischa Spoliansky)

Besuch am
1. April 2016
(Premiere)

 

 

Komische Oper Berlin

Meistens ist von Friedrich Hollaender oder Rudolf Nelson die Rede, wenn es um Kabarettkomponisten der Goldenen Zwanziger Jahre geht. Dabei gibt es doch noch Mischa Spoliansky. Seine Biografie ähnelt der seiner Kollegen: Vor 1930 gehörte er wie sie zu den renommiertesten Musikern der Kleinkunstszene, 1933 emigrierte er wegen seiner jüdischen Abstammung nach England und wechselte dort erfolgreich in die Filmbranche. Nach 1945 kehrte er gelegentlich nach Deutschland zurück, konnte jedoch künstlerisch nicht wieder richtig Fuß fassen.

Ein Fall für die Komische Oper, die Spoliansky unter dem Titel Heute Nacht oder nie einen ganzen Abend widmet. Nicht etwa als Nebenproduktion abseits des großen Programms, sondern als Vorderbühnen-Revue mit großem Orchester und Staraufgebot. Als Aushängeschild sind die Geschwister Pfister und Stefan Kurt mit dabei, die an gleicher Stelle schon die Operette Clivia zum Riesenerfolg führten. Auch dieser Abend verläuft in Bombenstimmung, doch das liegt nicht alleine an den Gästen, sondern am gesamten Team und – der Musik von Mischa Spoliansky.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Eine Showtreppe mit Glitzervorhang, eine mitreißende Combo und mittendrin sieben Solisten, jeder von ihnen zurechtgemacht wie eine der Berliner Typen jener Zeit, dazu ein tanzendes Showgirl-Quartett und schon stellt sich die Illusion eines Varietés der Goldenen Zwanziger ein. Regisseur Stefan Huber und der musikalische Leiter Kai Tietje haben knapp zwei Dutzend Musiknummern Spolianskys durch knappe Texte lose verbunden und zu einer prächtigen Show zusammengefügt. Sie zeigt nicht nur Spolianskys kompositorische Bandbreite, die vom Kabarettsong über Mode- und Jazztänze bis zum Filmhit reicht, sondern auch die Ausdruckspalette der Mitwirkenden.

Foto © Robert Recker

Da gibt Stefan Kurt, ein Meister der Zwischentöne, eine hinreißende Version des Schlagers Finden Sie, dass sich Constanze richtig verhält zum Besten, da singt Andreja Schneider herrlich verrucht das Nuttenlied. Christoph Marti macht auf große Diva, tritt in Leben ohne Liebe in die Fußstapfen von Margo Lion und beim Boston-Waltz Morphium in jene von Anita Berber, der Königin des Ausdruckstanzes. Beide finden sich zum frivolen Duett Wenn die beste Freundin zusammen, das zum Trio mit Tobias Bonn erweitert wird. Der tanzt trotz imposanter Leibesfülle köstlich beweglich „auf der Avus Tango“, während Mirka Wagner hören lässt, dass man Spoliansky auch mit Opernkoloraturen gerecht werden kann. Und natürlich darf Heute Nacht oder nie, seine bekannteste Filmmelodie, nicht fehlen. Gleich am Anfang wird sie original in der historischen Aufnahme mit Jan Kiepura im Off eingespielt und am Ende wird daraus ein Ensemblestück. Es wird angeführt von Johannes Dunz, dem begabten Nachwuchstenor aus dem Opernstudio, der durch Schmelz und strahlendes Timbre immer näher an berühmte Vorgänger heranrückt. Zum endgültigen Finale heißt es Auf Wiedersehen. Während alle miteinander diesen Ohrwurm aus Spoliankys Kabarettrevue Wie werde ich reich und glücklich singen, verlassen die Instrumentalisten nacheinander die Bühne. Schöner, stimmiger kann ein musikalischer Abschied nicht sein.

Kai Tietje dirigiert die von ihm selbst süffig arrangierten Songs mit körperbetontem Swing, singt und ist der Mann am Klavier, kurzum: Musikalisch ist ein Alleskönner seines Fachs am Werk. Die Mitglieder des Opernorchesters folgen ihm voller Elan und Spaß und strahlen dabei um die Wette.

Jubel und viele Bravos für alle Beteiligten. Der eigentliche Gewinner des Abends aber heißt Mischa Spoliansky.

Karin Coper