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Schon seit Jahrhunderten fasziniert die Geschichte von Elektra Schriftsteller, Dramatiker, Musiker. An der Neuköllner Oper probiert sich die junge Regisseurin Julia Lwowski an der Vorlage von Hugo von Hoffmannsthal und reduziert das Thema auf ein Musiktheater mit nur zwei Akteuren und drei Musikern.
Der Einlass in die kleine Studiobühne ist schon Teil des Geschehens: Verschleierte Klageweiber reichen jedem Zuschauer einen Schluck aus einer Ouzo-Flasche, als Einschwörung und Kommunion zugleich, Teil des folgenden 80-minütigen Spektakels zu sein. Der Nebel trägt zur klaustrophobischen Stimmung im engen Saal bei, dessen Sitzreihen so aufgebaut sind, dass sie auf die kleine Graben-Bühne ausgerichtet sind. Hier haust Elektra, verstoßene Königstochter, und fristet Dasein wie Hass auf die Mutter. Eine Klappe in der weißen Hinterwand stellt den Palast dar, von wo aus Klytämnestra ihre schlaflosen Nächte beklagt.
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Lwowski lässt ihren zwei Schauspielern volle Freiheit, sich auszutoben und zu keifen, am Boden zu wälzen, handgreiflich zu werden und Milch zu verspritzen. Sie sprengen den engen Raum, manchmal werden die Zuschauer in den ersten Reihen miteinbezogen. Yassu Yabara macht das Beste aus einem sicherlich geringen Budget – die Mehrfachrollen der zwei Akteure werden über die phantasievollen Kostüme definiert.
Die Elektra von Gina-Lisa Maiwald ist ein junges Mädchen, das sich nach Liebe sehnt und doch von Hass zermürbt wird. Thorbjörn Björnsson als Mann, der eine Mutter spielt, die ebenso Liebe geben will, aber nicht kann – die Milch kommt nicht aus ihren Brüsten, sondern aus dem Tetrapak – zu sehr quälen sie die inneren Dämonen.
Die musikalischen Einlagen der diversen Komponisten wie Christoph Willibald Gluck, Iannis Xenakis oder Chatschatur Kanajan, der auch die musikalische Fassung des Stücks geschaffen hat, sind eher Nebensache. Der bleibende Gesamteindruck wird von dem Multitalent Ni Fan an diversen Schlagwerkzeugen überragt – sie gibt von Anfang an den Ton an, treibt die dramatische Story voran. Auch Miako Klein im Klageweib-Kostüm trägt unter anderem mit einer Paetzold-Contrabass-Blockflöte zur musikalischen Untermalung bei, ebenso Roman Lember auf diversen Synthesizern und Akkordeon.
Die Philosophie der Neuköllneroper ist immer wieder lobenswert – jungem Talent eine Bühne zu gewähren und mit dem Musiktheater zu experimentieren. Das würdigt auch das Publikum mit anhaltendem Applaus.
Zenaida des Aubris