Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Bettina Stöß

Aktuelle Aufführungen

Vollendete Töne und ästhetische Eleganz

I CAPULETI E I MONTECCHI
(Vincenzo Bellini)

Besuch am
29. Februar 2016
(Premiere)

 

 

Deutsche Oper Berlin

Vor zwei Jahren gastierte Joyce DiDonato zuletzt in Berlin. Sie sang die Titelpartie in Donizettis Maria Stuarda, und es war nichts weniger als eine Sternstunde. Jetzt kehrt sie für zwei konzertante Aufführungen an die Deutsche Oper zurück, diesmal als Romeo in Bellinis Melodrama I Capuleti e i Montecchi.

Und wieder gibt sie eine Belcanto-Lektion vom Feinsten. Nur dass der Gesang vordergründig nicht so spektakulär daherkommt, wie Donizettis hochdramatisches Königinnenspektakel. Denn Bellini ist der Meister der endlosen, elegischen Melodien, nicht der auftrumpfenden Effekte. Doch bei der amerikanischen Mezzosopranistin werden auch die langgesponnenen Kantilenen des Romeo zum vokalen Ereignis. Wie aus dem Nichts lässt Joyce DiDonato Töne anschwellen, demonstriert perfekten Legato-Gesang genauso wie markante Koloraturgeläufigkeit. Die verinnerlichte letzte Arie Romeos wird durch die Verbindung von höchster Gesangskultur mit emotionalem Tiefgang zu einem der Höhepunkte des Abends.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Weitere sind die Duette mit Giulietta, weil sich in ihnen beide Frauenstimmen in schönster Harmonie vereinen. Denn Venera Gimadieva kann als Geliebte durch fein gesponnene Melodienbögen, kristallklare Höhen und subtile Piani mit Joyce DiDonato sängerisch mithalten. Hinsichtlich der Ausstrahlung aber bleibt sie ein wenig kühl. Celso Albelo verfügt über einen respektablen Belcanto-Tenor, singt stilistisch gewandt, punktet aber am stärksten mit bombensicheren Spitzentönen. Die beiden Bässe Marko Mimica und Alexei Botnarciuc stehen für das gut aufgestellte Ensemble der Deutschen Oper. Der Herrenchor, einstudiert von William Spaulding, beweist in seinen wenigen Auftritten auch ohne Damenbeteiligung seine Extraklasse.

Foto © Bettina Stöß

Paolo Arrivabeni dirigiert mit Gespür für Bellinis melancholische Farben und dynamische Schattierungen, nur manchmal etwas pauschal im Klang. Das Orchester der Deutschen Oper erweist sich als aufmerksamer Partner, die sublim geblasenen Horn- und Klarinettensoli zeugen von seinem hohen instrumentalen Niveau.  

Große Zustimmung für alle Mitwirkenden im fast ausverkauften Haus. Ovationen für die beiden Solistinnen, besonders für Joyce DiDonato, diese so sympathische Ausnahmesängerin, die an keiner Stelle den Superstar herauskehrt. Für Bellini-Freunde hält die Deutsche Oper einen weiteren Coup bereit. Im Mai wird Edita Gruberova voraussichtlich noch einmal die Norma geben.

Karin Coper