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Über die Jahrhunderte hat die Geschichte der Königstochter Armida, die „Zauberin“ im exotischen Damaskus, Schriftsteller und Komponisten fasziniert. In unseren Kreisen ist wohl Torquato Tassos Das befreite Jerusalem aus dem 16. Jahrhundert einer der bekanntesten Überlieferungen.
Armida verzaubert die Kreuzfahrer, besonders Rinaldo, den tapfersten und jüngsten, und verführt ihn in ihrem Zaubergarten auf einer Insel. Dort wird er zwar von anderen Kreuzrittern befreit, Armida kämpft gegen diese an, wird aber dann doch vom Selbstmord von Rinaldo abgehalten, und er erklärt sich zu ihrem Ritter. Nicht nur Christoph Willibald Gluck hat dieses Thema 1777 verarbeitet. Auch Jean-Baptiste Lully hat Armide 1686 komponiert, Gioacchino Rossini 1817, Antonín Dvorak 1904 und zuletzt Judith Weir 2005.
Musik | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Gesang | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Regie | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Bühne | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Publikum | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
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Hier ist nun die Version der Opernsängerin und Musiktheater-Regisseurin Ulrike Schwab. Als Feature benannt, muss man genau hinhören, um den musikalischen Bezug zu der Vorlage von Gluck wahrzunehmen. Es ist eine Mischung aus Solo-Auftritt, Reportage, Sprechgesang und Oper.
Claudia Pérez Iñesta ist eine stumme Verzauberin, die durch ihr Klavierspiel ganz zu Anfang verzaubert und dann verschwindet. Rinaldo verwandelt sich in einen dreifachen Renaud, um alle Facetten seiner Persönlichkeit abzudecken. Theoretisch ist er ein Kreuzritter auf der Suche nach sich selbst. Der Countertenor Georg Bochow hat es da fast am leichtesten, da er die ursprünglich für Armida komponierten Arien in der Gluckschen Vorlage gefühlvoll vortragen kann. Tenor Valentin Bezençon ringt mit Zweifeln der Selbstfindung als Glaubenskrieger, und Sebastian Schiller gibt eher die dramatische Seite der kaleidoskopischen Persönlichkeit dar. Der Bezug zu aktuellen Ereignissen, zum fanatischen Glauben einerseits und Liebe und Verständnis anderseits, gibt dem geschichtlichen Stoff eine durchaus dynamische Spannung.
Die drei Akteure teilen sich die kleine, erhöhte, polygonale Bühne, die in der Ausstattung von Charlotta Hench mit schwarzen Vorhängen umrahmt ist. Hierauf spielen sich schwarzweiße Videoprojektionen von Mitja Strehlow ab, die weitere Einblicke in die Psyche von Renaud geben sollen. Unsichtbar liefern die Geigerin Mia Bodet und die Oboistin Antje Thierbach sowie Claudia Pérez Iñesta am Klavier eine destillierte musikalische Untermalung.
Nach 65 Minuten ist Schluss mit der Introspektion. Es bleibt etwas unklar, ob Renaud sich gefunden hat. Armida bleibt allemal fern.
Das Publikum erkennt das Stück und die Arbeit der Mitwirkenden mit langanhaltendem, aber höflichem Applaus an.
Zenaida des Aubris