Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Marco Borelli

Aktuelle Aufführungen

Der Kreuzritter der hohen Töne

IL TEMPLARIO
(Otto Nicolai)

Besuch am
27. August 2016
(Premiere)

 

Salzburger Festspiele,
Großes Festspielhaus

Die lustigen Weiber von Windsor von Otto Nicolai sind jedem Opernliebhaber ein Begriff. Seine zuvor komponierte, dritte Oper Il templario hingegen kennt kaum jemand. Die Story aus dem England des 12. Jahrhunderts, eine doppelte Liebesgeschichte aus dem Kreuzritter- und Tempelrittermilieu nach dem Roman Ivanhoe von Sir Walter Scott ist aber auch äußerst verworren und nicht unbedingt szenisch bühnentauglich. Trotzdem erlebte diese eine triumphale Uraufführung 1840 in Turin, war eine der erfolgreichsten Opern ihrer Zeit und wurde in den nächsten Jahrzehnten allein in 70 unterschiedlichen Inszenierungen aufgeführt. Zuletzt wurde sie 2008 in Chemnitz wiederentdeckt, wo sie auch auf CD eingespielt wurde. Nach dem Publikumserfolg trotz nasenrümpfender Kritiker ein Jahr später auch in Wien, wurde Otto Nicolai zum ersten Kapellmeister der Wiener Hofoper bestellt. Gleich darauf gründete er einen eigenen Orchesterverein, die Wiener Philharmoniker waren geboren.

Es war Juan Diego Flórez höchstpersönlich, der nun die Philharmoniker verführte, diese Opernrarität von ihrem Gründer mit ihm aufzuführen. Er hatte für die, für seine Stimme ideale Partie des Vilfredo d’Ivanhoe Feuer gefangen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Deshalb kommt es jetzt im Großen Festspielhaus zu zwei konzertanten Aufführungen. Der peruanische Tenor lässt bei dieser extrem hoch gelegenen Partie wieder keinen Spitzenton aus und singt wie alle anderen Sänger „auf Zehenspitzen“, so ein Selbstzitat von ihm, und voller Hingabe. Auch das übrige Sängerensemble ist von erster Sahne: Für Joyce Di Donato eingesprungen, singt die Französin Clémentine Margaine die Jüdin Rebecca, mit komplexen Zügen in ihrer Opferbereitschaft und ihrer Liebe, mit vielen Fassetten extremer emotionaler Intensität ihres wunderbar gerundeten Mezzosoprans. Luca Salsi ist ein ungemein stimmkräftiger, imposanter, rächender Kreuzritter Briano di Bois-Guilbert, der aber auch zu wunderbar weichen Tönen fähig ist. Kristiane Kaiser ist als Rovena mit dunkel gefärbten, koloraturensicherem Sopran zu vernehmen. Ohne Tadel singen auch: Adrian Sâmpetrean als markanter Cedrico il Sassone, Armando Pina als Luca di Beaumanoir, Franz Supper als Isacco di York und der fabelhafte Salzburger Bachchor, dessen Einstudierung Alois Glaßner besorgte.

Foto © Marco Borelli

Die Musik ist bester italienischer Belcanto, musikalisch ausgereift mit harmonischen Reichtum, Farbigkeit und verdischer Dramatik, vermischt mit wunderbaren symphonischen Elementen, verleugnet aber auch nicht das Wienerische. Andrés Orozco-Estrada am Pult der Wiener Philharmoniker sorgt für viel Feuer, reiche Schattierungen und Schönklang.

Zum Finale gibt es stehende Ovationen eines völlig begeisterten Publikums für eine tolle Wiederentdeckung.

Helmut Christian Mayer