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Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Ferdinand Neumüller

Aktuelle Aufführungen

Hautnahes Mysterienspiel

JESU HOCHZEIT
(Gottfried von Einem)

Besuch am
6. August 2016
(Premiere)

 

 

Carinthischer Sommer, Ossiach

Jetzt ist sie endlich dort, wo sie hingehört und für welchen Ort sie vom Komponisten erdacht und konzipiert wurde: Jesu Hochzeit von Gottfried von Einem wird in Ossiach gezeigt. Im Gedenken an den 20. Todestag eines Komponisten, der auf das Engste mit dem Carinthischen Sommer verbunden war, hier viele Sommer verbrachte und von dem beim Festival allein dreizehn Werke uraufgeführt wurden.

Heute ist das Werk längst kein Aufreger mehr, und es lässt sich schwer vorstellen, dass 1980 die geplante Uraufführung in Ossiach wegen starker Ablehnung abgesagt werden musste. Auch die Uraufführung im Theater an der Wien im selben Jahr provozierte einen Theaterskandal und Proteste wie Kundgebungen, Schmähbriefe und sogar Morddrohungen mit Störaktionen, Schreien, Stinkbomben und Tomaten während der Aufführung aus dem ultrakatholischen Lager und wurde als blasphemisch attackiert. Nach Aufführungen in Hannover und Mainz, beide 1987, geriet sie in Vergessenheit und wurde bis dato nie wieder aufgeführt.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Aufgeregt hatte damals der nach Augustinus gewählte Titel, eine Kussszene von Jesus und einige Textpassagen. Die Hochzeit mit der Tödin, einer allegorischen Figur, den weiblichen Tod darstellend, ist ein Bild für die Vereinigung der gegensätzlichen Weltprinzipien von Leben und Tod. Philosophische Fragen sind aber das eigentliche Thema des Werks. Einem sah sich den barocken Oratorien ebenso verpflichtet wie der langen Tradition der katholischen Mystiker. Er hielt dieses Mysterienspiel für eines seiner wichtigsten Werke. Es war die erste Zusammenarbeit mit seiner Gattin Lotte Ingrisch, die das Libretto dafür schrieb. Es ist eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der Bibel und dem Leben Jesu. Es beinhaltet aber keine Handlung im üblichen Sinn. Das Geschehen entwickelt sich in Form einer Folge in sich geschlossener Szenen, die nicht im zeitlichen Kontinuum stehen.

Foto © Ferdinand Neumüller

Nicola Raab, die den Text sehr puristisch in den Mittelpunkt stellt und mit einer minimalistischen, einfachen Ausstattung von Anne Marie Legenstein auskommt, beginnt in ihrer Inszenierung, einer Koproduktion mit dem Stadttheater Klagenfurt, mit einem Spiel im Spiel: Alle Protagonisten sitzen in Alltagsbekleidung auf einem langen, mit Notenblättern übersäten Tisch und greifen nacheinander in das Geschehen ein. Der Tisch kann jedoch durch die beweglichen Sitzgelegenheiten schnell zu einem überdimensionalen, liegenden Kreuz geformt werden. Mit diesem und Lichtstimmungen werden starke Bilder erzeugt: Wenn etwa der Dornbusch zu brennen beginnt oder ganz besonders, wenn Jesus, wie ein Tier vorgespannt und unterstützt von seinen Jüngern, das Kreuz zieht.

Gespielt wird hautnah und eindringlich vor, zwischen und hinter dem Publikum, das auf drei Seiten um das Kreuz sitzt. Speziell der ausgezeichnet singende und spielende Chor des Stadttheaters, dessen Einstudierung Günter Wallner besorgte, das Volk und die Jünger Jesu darstellend, trägt viel zur packenden Atmosphäre bei.

Am textverständlichsten singt Boris Grappe einen sehr intensiven und leidenden Jesus. Ursula Hesse von den Steinen als Tödin, als personifizierter weiblicher Tod, die später zu Judas mutiert, verströmt viel ausdrucksstarke Dämonie. Schwer verständlich erlebt man Fredrika Brillembourg als klangschön singende Maria und Dan Paul Dumitrescu als etwas derben Josef. Annette Schönmüller ist eine starke Magdalena mit etwas zu viel Vibrato. Julia Koci ist ein klarer, junger Lazarus. Marcel Beekman singt den Engel mit hellem Tenor.

Die Musik Einems ist weitgehend der Dur-Moll-Tonalität verpflichtet, wenngleich auch Mischungen, bitonale Verschränkungen und pentatonische Elemente angewandt werden.  All das und besonders die extrem schwierig komponierten Phrasen werden vom Kärntner Sinfonieorchester unter dem souveränen, exakt schlagenden Jonathan Stockhammer, der auch zu Beginn und am Ende zur Elektrogitarre greift, differenziert und packend musiziert.

Stehende Ovationen des Publikums, darunter die Witwe des Komponisten und der Sohn, Ex-Minister Caspar Einem, und Freude darüber, dass die Kirchenoper wieder beim Carinthischen Sommer eingezogen ist.

Helmut Christian Mayer