Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Stephan Walzl

Aktuelle Aufführungen

Eine Königin dankt ab

CRISTINA, REGINA DI SVEZIA
(Jacopo Foroni)

Besuch am
25. November 2016
(Premiere am 21. Mai 2016)

 

 

Oldenburgisches Staatstheater

Bis vor kurzem dürfte Jacobo Foroni, wenn überhaupt, nur Insidern bekannt gewesen sein. Doch seit 2007 die Sommerakademie im schwedischen Vadstena seine Oper Cristina, Re di Svezia halbszenisch präsentierte, wächst das Interesse an diesem vergessenen Komponisten. Wie berechtigt das ist, machte erst die nachfolgende, sehr empfehlenswerte CD-Einspielung deutlich, dann die Vorstellungen beim Raritätenfestival in Wexford 2013 und nun auch die Deutsche Erstaufführung am Staatstheater Oldenburg.  

Foroni, 1825 bei Verona geboren und mit nur 33 Jahren in Stockholm verstorben, trat bereits als Achtjähriger öffentlich als Pianist auf, seine ersten Kompositionen wurden uraufgeführt, als er gerade mal zwölf Jahre alt war. Kurz nach der Premiere seiner ersten Oper 1848 musste er aus politischen Gründen die Heimat verlassen und siedelte nach Schweden über. Hier war er zunächst als musikalischer Leiter einer italienischen Operntruppe tätig, etablierte sich aber schon bald am schwedischen Hof, wo er als Hofkapellmeister nicht nur wichtige zeitgenössische italienische Opern dirigierte, sondern auch deutsche Sinfonik und Oratorien.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Diese Kenntnis hört man auch seiner 1849 komponierten Oper Cristina, Regina di Svezia an. Sie behandelt sehr frei ein wichtiges Kapitel der schwedischen Geschichte, nämlich die Umstände der frühen Abdankung Königin Christinas. Operngemäß liebt sie den Günstling Gabriele. Als sie erfährt, dass dieser mit einer Hofdame liiert ist, betreibt sie deren Zwangsheirat mit einem Getreuen, worauf sich Gabriele einer Verschwörung anschließt. Nach deren Entdeckung reagiert Christina edelmütig, begnadigt die Rebellen und tritt anschließend zurück.

Foto © Stephan Walzl

Die Inszenierung von Michael Sturm bewegt sich zwischen den Zeiten. Der Saal, den Stefan Rieckhoff entworfen hat, zeigt einen Thron in der Mitte und Gemälde von Christinas Ahnen an den Wänden, während sie und ihr Hofstaat in neutraler Kleidung des zwanzigsten Jahrhunderts auftreten, die Königin, die sich der Überlieferung nach gern männlich anzog, meist im Hosenanzug. Der Regisseur belässt es nicht bei einer Nacherzählung der Opernhandlung, sondern bezieht den historischen Kontext mit ein. Das führt teils zur Verdeutlichung, wenn während der Ouvertüre Christina als Kind auftritt, das bereits auf kommende Aufgaben vorbereitet wird, wirkt teils aber auch aufgesetzt und unfreiwillig komisch, wenn etwa die angebliche lesbische Beziehung zur Hofdame Ebba Sparre platt ausgespielt wird. Sehr stimmig ist hingegen das Finale, als Christina den Hof verlässt und ins Helle hinausschreitet – in eine selbst gewählte Freiheit, die sie nach Rom führte, wo sie zum Katholizismus konvertierte. Sonst bleibt die Regie recht konventionell und statuarisch, besonders bei den Ensembleszenen, in denen der verstärkte Opernchor des Oldenburgischen Staatstheaters allerdings prächtig singt.

Überhaupt ist die Aufführung ein musikalisches Ereignis. Foronis Partitur hebt sich wie ein Solitär von der gängigen italienischen Opernromantik ab. Statt einer Aneinanderreihung von Nummern nach altbekannten Belcanto-Mustern hört man eine fast durchkomponierte Oper mit Gesangspartien voller überraschender Wendungen und einem erstaunlich dichten Orchesterfundament, dem sich der Dirigent Vito Cristófaro mit Leidenschaft und Temperament widmet.

Vor allem aber ist es der Abend von Helena Dix. Die australische Sängerin, die die Titelpartie schon in Wexford verkörpert hat und für die Oldenburger Wiederaufnahmeserie gewonnen werden konnte, erweist sich als überragende Cristina. Sie besitzt einen voluminösen und dabei agilen dramatischen Koloratursopran mit stupenden Spitzentönen, phrasiert blendend und setzt mutig auch hässliche Töne zur Charakterisierung ein – mithin eine Glanzleistung. Neben ihr behauptet sich das Oldenburger Ensemble hoch achtbar, vorneweg Melanie Lang als Nebenbuhlerin mit strahlendem Mezzosopran und Daniel Moon als Christinas Nachfolger mit noblem Bariton, aber auch der Tenor Philipp Kapeller, der die kleinere Rolle des Verschwörers Johan durch seinen stilsicheren, klaren Gesang aufwertet.

Freundlicher Applaus nach der gut besuchten Aufführung. Von Foroni wird auch in der kommenden Saison zu hören sein. Wexford hat bereits seine komische Oper Margherita angekündigt.

Karin Coper