Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Matthias Stutte

Aktuelle Aufführungen

In der Weihnachtsbäckerei

HÄNSEL UND GRETEL
(Engelbert Humperdinck)

Besuch am
7. Dezember 2016
(Premiere am 3. Dezember 2016)

 

Theater Krefeld Mönchengladbach,
Krefeld

An Engelbert Humperdincks Märchenoper Hänsel und Gretel kommt kein Opernhaus vorbei. Warum auch? Es „wagnert“ auf hohem Niveau, und mit seiner Bühnenwirksamkeit hat sich der Publikums-Schlager einen festen Platz zur Weihnachtszeit erobern können. Mit der zeitlichen Fixierung auf das Christfest sehen sich die Intendanten freilich dem Druck ausgesetzt, das Werk als Familienoper präsentieren zu müssen, was es eigentlich nicht ist. Damit ist ein Konflikt angelegt, wenn es um die Frage geht, wie deutlich die schroffe Grausamkeit des Stücks herausgearbeitet oder gemildert werden soll. Das Theater Krefeld Mönchengladbach versucht es jetzt mit der Inszenierung von Hinrich Horstkotte mit einer schmalen Gratwanderung zwischen den extremen Darstellungsformen. Dass Horstkotte mit gattungsmäßig mehrdeutigen Stücken umzugehen vermag, hat er bereits an gleicher Stelle mit recht gelungenen Produktionen von Oscar Straus‘ Wagner-Parodie Die listigen Nibelungen und Offenbachs fragmentarischem Wunderwerk Hoffmanns Erzählungen bewiesen.

Es ist eine dunkle Welt, in der Hänsel und Gretel im Theater Rheydt herumtollen, geprägt von Armut und Verzweiflung, aus der die Kinder wenigstens für wenige Minuten auszubrechen versuchen. Der Wald bietet keine Aufhellung mit Ausnahme des Feuerscheins aus dem Ofen der Knusperhexe. Das triste Umfeld bricht Horstkotte durch den Einsatz quicklebendiger Lebkuchen und einer Schar niedlicher Kinder auf, die als Engelchen dem Abendsegen einen bezaubernden Hoffnungsschimmer verleihen. Mit der salbungsvollen Musik Humperdincks, der schließlich die Bayreuther Uraufführung des Parsifal maßgeblich miteinstudiert hat, stellt sich geradezu eine weihevolle Grals-Stimmung ein. Originell der Einfall Horstkottes, zur Ouvertüre die vielköpfige Garde bekannter Märchenfiguren von Rotkäppchen bis zu den sieben Zwergen von der Hexe in den Ofen stoßen zu lassen, so dass sich nach der Erlösung eine bunte Parade Grimmscher Helden zum Schlussgesang versammelt.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Der von der Hexe ausgehende Gruseleffekt bleibt gedämpft. Mit ausladendem Hinterteil sorgt sie eher für Gelächter, wobei in der sehr gut besuchten zweiten Abendvorstellung die reifen Jahrgänge ohnehin unter sich geblieben sind. Horstkotte geht noch einen Schritt weiter, indem er die Hexe, sichtlich abgespeckt, auferstehen lässt, so dass es zu einem lupenreinen Happy End kommt.

Davon abgesehen inszeniert Horstkotte brav am Text entlang. So, wie es im Buche steht und wie man es gewohnt ist. Und das ist nicht als Vorwurf zu verstehen. Überdimensionale Besen bestimmen die Ausstattung, die Horstkotte inklusive der Kostüme gleich mit kreierte. Sie schmücken die Wände der armen Besenbinderhütte, sie markieren aber auch den Baumbestand im Wald. Auch das in gewohntem und bewährtem Rahmen.

Foto © Matthias Stutte

Diego Martin-Etxebarria lässt die Niederrheinischen Sinfoniker mächtig aufspielen, wie es sich für die Oper eines Wagner-Eleven wie Humperdinck gehört. Darin zeigt sich bereits, dass wir es mit mehr als einer reinen Kinderoper zu tun haben. Ein Eindruck, den die sängerischen Anforderungen noch unterstützen. Gefordert ist ein konditionsstarkes Ensemble mit großen Stimmen. Und da stößt die alternative Besetzung an ihre Grenzen. Im Unterschied zur Premiere vertraut man gleich drei große Partien blutjungen Mitgliedern des Opernstudios an. Im Falle des Vaters lässt sich mit der Besetzung durch Shinyoung Yeo trotz einer hörbaren Indisposition durchaus leben. Agnes Thorsteins in der Rolle des Hänsel hinterlässt sogar den besten vokalen Eindruck des Abends. Schwerer tut sich Julia Danz als Gretel. Eine Partie, die eine voluminöse Stimme mit sicherer Höhenlage erfordert, an der die junge Sängerin noch arbeiten muss. Mit stimmlichen Offenbarungen können jedoch auch die erfahrenen Kräfte nicht aufwarten. Weder Maren Schäfer als Mutter noch Gabriela Kuhn als Sand- und Taumännchen und auch nicht Debra Hays als spielfreudige Knusperhexe, die eher eine stimmliche Karikatur liefert.

Äußerst sympathisch präsentiert sich der von Susanne Seefing geleitete Kinderchor Theaterspatzen, der vom Damenchor des Theaters unterstützt wird.

Eine gediegene Produktion, geeignet auch für nicht allzu junge Kinder. Ein Mindestalter von acht Jahren wäre sinnvoll. Das Publikum bedankt sich mit großem Beifall.

Pedro Obiera