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Foto © Paul Leclaire

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Wenn der Maulesel mit der Eselin ...

DIE KLUGE
(Carl Orff)

Besuch am
13. März 2016
(Premiere)

 

 

Oper Köln, Staatenhaus

Mit dem Umzug vom Alten Pfandhaus in das Deutzer Staatenhaus hat die Kölner Kinderoper erheblich an Platz gewonnen. Damit kann sich sogar das Gürzenich-Orchester in großer Besetzung mit einer üppigen Schlagzeug-Batterie bequem neben der Spielfläche einrichten. Die Nähe des Publikums zur Bühne bleibt dennoch gewahrt. Allerdings eignet sich Carl Orffs musikalisches Märchen Die Kluge nur bedingt als Kinderoper. Deklariert wird die rund 80-minütige Produktion denn auch als Geschichte „für Kinder ab sieben Jahren und Familien“.  

Bei der Premiere sind Kinder ohnehin in der Minderheit, und die Machart des Stücks hat doch seit seiner Uraufführung im Jahre 1943 einige Patina angesetzt. Auch wenn sich der Ur-Bayer mit seinen rhythmisch quirlig pulsierenden Partituren seinerzeit von den abgehobenen Reihentechnikern im Umfeld Schönbergs distanzieren und eine erhebliche Popularität erzielen konnte, vermag Orffs volkstümelnde Ästhetik der damaligen Jahre den Geruch der Anbiederung an das Nazi-Regime nicht abschütteln. Die unermüdlich rotierenden Rhythmen wirken angesichts heutiger, nicht unbedingt substanzreicherer, aber raffinierter komponierter minimalistischer Techniken oft nur banal. Und die Moral von der Geschicht‘, die Widerlegung der These des Königs, „Klug sein und lieben kann kein Mensch auf der Welt“, ist so bahnbrechend auch nicht.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Die Handlung orientiert sich an der Geschichte von dem König und der klugen Frau nach einem Märchen der Gebrüder Grimm: Der König hört von der Klugheit der Tochter des Bauern, den er einkerkern ließ, und stellt ihre Intelligenz mit drei Rätseln auf die Probe, die sie mühelos löst und dafür seine Frau werden darf. Ein ungerechtes Urteil in einem Besitzstreit um ein Esel-Füllen korrigiert sie durch eine raffinierte Intrige, die den König so erzürnt, dass er die kluge Frau vom Hof verbannt. Allerdings mit der Zusicherung, dass sie in einer Truhe das Liebste, das sie behalten möchte, mitnehmen darf. Sie versenkt den König in tiefen Schlaf, packt ihn in die Truhe und der ist so gerührt, dass das Happy End gesichert ist.

Foto © Paul Leclaire

Brigitta Gillessen, die Leiterin der Kölner Kinderoper, kehrt in ihrer Inszenierung den märchenhaften Charakter des Stücks heraus und lässt die Figuren puppenhaft agieren. Auf dem Schachbrettparkett der von Christof Cremer gestalteten Bühne erinnern sie an Spielfiguren, die scheinbar von dem autonom handelnden König gesteuert werden, der auf einer erhöhten, Kasperletheater-ähnlichen Mini-Bühne residiert, ohne zu merken, dass die anmutig-naiv vor sich hin trippelnde Bauerstochter die Hohlheit der zur Schau gestellten Macht des Königs mit jeder Aktion bloßstellt. Das wird selbst den nicht gerade hellköpfigen Strolchen bewusst. Wie gewohnt, zeugen sowohl die Sensibilität der Regisseurin als auch die Fantasie des Bühnen- und Kostümbildners von einer erfreulichen Liebe zu ihrer Aufgabe und ihrer Intention, jüngere Besucherschichten ans Musiktheater heranführen zu wollen. Szenisch kommt keine Langeweile auf.
Auch musikalisch nicht, obwohl Kapellmeister Alexander Rumpf die lyrischen Passagen sehr langsam ausbreitet, was die Substanzarmut der Musik nur noch bekräftigt. Allerdings sorgt Orff mit stilistisch abwechslungsreichen und vor allem temperamentvollen Liedern und sonstigen Einlagen immer wieder für eine Prise belebender Vitalität. Und die rhythmischen Qualitäten des Werks sind bei Rumpf und den Gürzenich-Musikern bestens aufgehoben.

Es spricht für die Seriosität der Kölner Kinderoper, dass man großen Wert auf vokale Qualität legt und erste Kräfte einsetzt. An der Spitze die ebenso anmutige wie grandiose Sopranistin Anna Palimina, der die Kölner Oper schon viele schöne Stunden in großen Opern zu verdanken hat und die die Titelpartie stimmlich mit schwebender Mühelosigkeit und mädchenhafter Unschuld zum Leben erweckt. Mit großer Stimme setzt der Bassist Zwarg dem glasperlenhaft zarten Gesang der „klugen Frau“ als König markige und bewusst angeraute Töne mit imposantem Nachdruck entgegen. Glänzend aufeinander eingespielt sind die drei Strolche Martin Koch, Michael Mrosek und Dennis Wilgenhof, die mit viel Tempo, aber ohne aufgesetzten Klamauk für buffoneske Akzente sorgen. Bjarni Thor Kristinsson singt den Klagegesang des Bauern im Kerker mit rhythmischer Präzision, allerdings nur mäßiger Diktion. Immerhin legt man auf Textverständlichkeit so großen Wert, dass das auf Deutsch gesungene Werk zusätzlich übertitelt wird. John Heuzenroeder als „Mann mit dem Esel“ und Martin Kronthaler als „Mann mit dem Maulesel“ runden das vorzügliche Ensemble adäquat ab.

Das Premierenpublikum reagiert freundlich bis begeistert auf eine sorgfältige Produktion eines Stücks, das die besten Jahre hinter sich gelassen hat. Der Unterhaltungswert ist dennoch recht hoch, und die Kinder werden auch noch mit einem Comic der Geschichte beschenkt.

Pedro Obiera