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Foto © Jochen Klenk

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Nicht zu fassen

LA SYLPHIDE
(Peter Schaufuss)

Besuch am
19. November 2016
(Premiere)

 

 

Tanz Karlsruhe, Badisches Staatstheater

Das Badische Staatsballett ist im Jubiläumsjahr des Festivals Tanz Karlsruhe neuer Partner geworden. In einer verhältnismäßig kleinen Stadt wie Karlsruhe kann die Tanzszene von derlei Kooperationen nur profitieren. Nun findet die Premiere von La Sylphide am Badischen Staatstheater im Rahmen des Festivals statt.

La Sylphide, das ist der Inbegriff des romantischen Balletts: Weiße Tüllröcke, Spitzentanz und anmutige Luftwesen, die Sylphiden, die über die Bühne schweben. Doch hat dieses Ballett eine lange Tradition, es existieren zahllose unterschiedliche Versionen, und so berühmt, wie das Ballett ist, so verstrickt ist seine Geschichte. Uraufgeführt wird das Werk 1832 in Paris. Keine geringere als Marie Taglioni brilliert in der Titelrolle und begründet mit ihrem Tanz auf den Zehenspitzen den heutigen Spitzentanz. August Bournonville, der dänische Choreograf und Tänzer, kreiert 1836 eine neue Version, nutzt seine bis heute tradierte Tanztechnik und stärkt die Rolle des männlichen Solisten. Bournonville beauftragt den Komponisten Herman Lovenskiold, neue Musik für das Ballett zu komponieren, grundlegend hält der Choreograf sich jedoch an das Vorbild von 1832.

POINTS OF HONOR
Musik
Tanz
Choreografie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Die Handlung des Balletts kann ohne Zweifel als zeitlos beschrieben werden: Verortet in den schottischen Highlands, schildert es den Zwiespalt eines jungen Mannes, der zwischen einer Sylphide und einem Bauernmädchen wählen muss. Das Ballett ist in zwei Akte gegliedert, wobei der erste Akt die reale Welt zeigt und der zweite Akt in die Geisterwelt entführt. In der Version von Bournonville verkörpert die Sylphide die leidenschaftlich-romantische Sehnsucht nach einem utopischen, nicht fassbaren Glück, wohingegen das Bauernmädchen die bodenständige, reale Welt darstellt. Der junge Mann, James, eilt am Tag seiner Hochzeit in den Wald, um seine Sylphide zu fassen zu bekommen. Doch der verwunschene Schal, den eine Wahrsagerin James gegeben hat, ermöglicht ihm nicht nur, das Luftwesen zu umfassen, er bringt es auch um.

Foto © Jochen Klenk

Der Tänzer und Choreograf Peter Schaufuss erhält 1979 die Gelegenheit, seine Version des Bournonvilles-Klassikers zu choreografieren. Groß, prunkvoll und edel ist seine Inszenierung. James scheint einem Adelsgeschlecht anzugehören, glaubt man der Innenansicht seiner Behausung im ersten Akt. Hier überwiegen Ensembleszenen, der innere Zwiespalt James‘ wird recht schnell verhandelt. Schaufuss‘ Fassung ist im Repertoire vieler großer Ensembles auf der ganzen Welt und erfreut sich offensichtlich großer Beliebtheit. Nun zählt auch das Badische Staatsballett hierzu.

In der Premiere tanzt Harriet Mills die Sylphide und Blythe Newman die Effi. Beide zeigen nicht nur technische Raffinesse, sondern leben ihre Rolle wahrhaftig aus. Zhi Le Xu als James beeindruckt mit Sprungkraft und technischer Brillanz. Die Sehnsucht des James kann er in den Spielmomenten gut vermitteln. Grandios in der Rolle der Wahrsagerin ist Admill Kuyler, der diese komische Charakterrolle voller Überzeugung umzusetzen versteht. Äußerst sympathisch wirkt Flavio Salamanka in der Rolle des Nebenbuhlers.

Neben den Solisten glänzt auch das Ballettensemble sowie das Ballettstudio des Staatsballetts auf der Bühne. Verstärkung erhalten die von Studierenden der Akademie des Tanzes Mannheim und Schülerinnen einer Karlsruher Ballettschule. Daher wird der schottische Volkstanz Reel im ersten Akt zum überschwänglichen Bühnenfest, das das Publikum begeistert goutiert.

Doch auch der zweite, weiße Akt zeigt hervorragende Ensemblearbeit. Nicht nur Raffaelle Queiroz und ihre zwei Gefährtinnen schweben förmlich über die Bühne. Auch alle weiteren Sylphiden unterstreichen die Fragilität, die diesen Akt auszeichnet.

Bühne und Kostüm von David Walker sind pompös und bieten dem Zuschauer das, was der von einem so alten und klassischen Ballett erwartet. Die Lichtarbeit von Steen Bjarke sticht besonders im ersten Akt positiv hervor, wenn Sylphide und Effi nebeneinanderstehen und letztere in warmen Tönen ausgeleuchtet wird, die Sylphide hingegen in kaltweißem Licht erscheint.

Die Badische Staatskapelle unter der Leitung von Steve Moore leistet schöne Arbeit und scheint die Spielfreude des Ballettensembles an diesem Abend voll und ganz zu teilen.

Einziger Wermutstropfen bleibt die Inszenierung an sich. Sie ist so groß, so feierlich, wobei es doch eigentlich ein schlichtes, äußerst menschliches Drama ist, das hier vonstattengeht. Die leisen Töne dieser Geschichte scheinen dabei unterzugehen.

Das Publikum an diesem Abend lässt sich vom Bühnengeschehen gerne mitreißen. Da wird gelacht, wenn die Sylphide plötzlich durch den Kamin verschwindet oder ein Darsteller wild gestikuliert. Die Ensembleszenen werden mit Szenenapplaus bedacht und besonders die Kinder werden im Schlussapplaus gefeiert. Ein rundum gelungener Abend für das Badische Staatstheater und das Festival.

Jasmina Schebesta