Opernnetz

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Aktuelle Aufführungen

Minimal Music – Maximale Effekte

JUBILEE GAMES
(Klaus Simon)

Besuch am
9. November 2016
(Premiere)

 

 

Schlossbergsaal in Freiburg/Breisgau

Im Freiburger Schlossbergsaal hat sich eine kleine Zuhörerschar versammelt, die Holst-Sinfonietta gibt zu ihrem 20-jährigen Jubiläum ein Konzert, klein, aber fein. Das Programm, das diese Gruppe von jungen Musikern unter langjähriger Leitung von Klaus Simon anbietet, ist ausgefallen und kaum geeignet, große Säle zu füllen. Das nach dem englischen Komponisten Gustav Holst benannte Orchester, 1996 in Freiburg von Simon gegründet, hat unter seiner Leitung „versierte Instrumentalisten aus dem süddeutschen Raum“ versammelt. Viele von ihnen stammen aus der Hochschule für Musik in Freiburg und haben sich längst als Berufsmusiker ihren Platz erobert. Dass dieses Ensemble nach Dutzenden von Konzerten und zahlreichen CD-Einspielungen nun sein zwanzigjähriges Jubiläum als geschätztes und gut etabliertes Ensemble feiert, dürfte Simon selbst überraschen. Denn die Holst-Sinfonietta wendet sich mit ihrem Programm der modernen Musik zu und bietet eine Musikauswahl, die noch immer ihr Publikum eher suchen muss.

So treffen sich auch an diesem Abend Kenner, Fachleute und Freunde, von denen viele in der zeitgenössischen Musik aktiv sind. Klaus Simon, selbst Pianist, Arrangeur und Dirigent, ist es gelungen, qualifizierte Musiker zur Aufführung von Kompositionen des 20. und 21. Jahrhunderts zu einem Ensemble zusammen zu schmieden. Zusätzlich ist es sein Anliegen, Vertreter neuer Musik aus England zu entdecken und deutschen Zuhörern schmackhaft zu machen. Das Jubiläumsprogramm zeigt das deutlich. Mit den Namen MacMillan, Norman und Adams enthält das Programm des Jubilee-Games-Abends ausschließlich angelsächsische Komponisten.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Die Kompositionen liegen zeitlich nur 25 Jahre auseinander, die Komponisten gut 50 Jahre. Für das Konzert setzt Simon unterschiedliche Formationen des Orchesters ein. In der MacMillan-Komposition tritt eine kleine Formation mit einer Bläser-, einer Streichergruppe und dem Schlagwerk auf. Entlang gemalter Portraits bekannter Persönlichkeiten aus der National Portrait Gallery London blickt McMillan mit anderen Augen – „…as others see us“ – auf die Bilder und setzt ihnen seine Klangportraits gegenüber. So individuell und zufällig diese Blicke sein mögen, so unterschiedlich fallen die Klangbilder aus, doch auch klanglich sind die Unterschiede deutlich zu erkennen. Da tritt im ersten Satz Henry VIII. eher höfisch-festlich auf, im zweiten Satz schreitet Earl James Wilmot in langgezogenen Passagen durch Klangräume, in denen sich heftige Marimba-Einwürfe und Flötentriller abwechseln. Der fünfte Satz wendet sich markant dem Portrait von T. S. Eliot zu. Verhalten, fast melancholisch beginnt die Streichergruppe mit weichen Melodiezügen, bevor die Bläser übernehmen und das Schlagwerk mit Beckenvibrato Akzente setzt. Immer wieder fügt das Schlagwerk jazzige Rhythmuselemente hinzu und belebt den Klang. Im sechsten Satz zu Dorothy Hodgkins Portrait zieht die Violine melodische Linien, das Marimbaphon breitet im Hintergrund einen weichen Klangteppich aus.

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Andrew Normans Try ist das zeitlich jüngste Stück dieses Abends und wird schon vom Dirigenten als „turbulent“ angekündigt. Hier reichen bekannte Hörgewohnheiten der Zuhörer nicht mehr aus, sie müssen sich auf ungewohnte Merkmale einlassen. Dirigent und Musiker wagen den „Vorstoß in das Nicht-Vertraute“ und erwarten bei ihren Zuhörern „Neugier auf noch nicht ausgetretene Pfade“. Melodielinien, durchgängige Rhythmen, gar spannende und sich auflösende Harmonien …, Fehlanzeige. Für Norman reichen eher zufällig wirkende Tonkaskaden unterschiedlicher Instrumente, heftige, quasi losgelöste Rhythmuseinwürfe oder ein buntes Gemisch aus Musikelementen und Geräuschen aus, um ein Klang- und Geräuschfeld aufzuspannen, in dem heftige Trommelschläge, einige Tom-Toms und Bläsersignale Akzente setzen. Normans Try ist wohl das „modernste“ Stück des Abends, durch das Klaus Simon seine Sinfonietta aufmerksam und genau führt.

Mit John Adams`Son of Chamber Symphony, dem dritten Stück des Abends, kehren Simon und die Sinfonietta wieder zu etwas vertrauteren Klängen zurück. Die Streichergruppe beginnt mit ungewöhnlich klaren rhythmischen Elementen, wellenähnlich wechseln melodische Parts und rhythmische Phrasen, wie zufällig überlagert von Trommelschlägen. Nach einem eher getragenen Part mit Piccolo-Flöte und der Celesta lassen  Trommeln und Bläser den Satz langsam verklingen.

Klaus Simon und die jungen Musiker der Holst Sinfonietta haben sich selbst und den zu wenigen Zuhörern eine Musikauswahl zum Jubiläum präsentiert, wie man sie selten hört. Ihre hohe Professionalität und Spielfreude stecken an und überzeugen ein fachkundiges Publikum, das sich mit überwältigendem Beifall für einen Musikabend der Extraklasse bedankt und zum Jubiläum gratuliert. Klaus Simon und seine Musiker haben einen „Weg gewählt, der weder dem eines traditionellen Kammerorchesters noch dem eines typischen Neue-Musik-Ensembles entspricht, sondern irgendwo dazwischen angesiedelt ist“ – und der überzeugt.

Horst Dichanz