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Foto © Hans-Jorg Michel

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So schön kann eine Eiswüste sein

DIE SCHNEEKÖNIGIN
(Felix Marius Lange)

Besuch am
23. April 2016
(Uraufführung)

 

Deutsche Oper am Rhein,
Duisburg

Mit Erfolg setzt die Deutsche Oper am Rhein ihre Strategie fort, im Kinder- und Jugend-Bereich nicht auf Sparflamme zu kochen, sondern im besten Sinne des Wortes zu klotzen. Auch wenn die Qualität der Rheinopern-Produktionen großen Schwankungen unterworfen ist, die Kinder- oder Familienoper gehört zu den erfreulichen Konstanten des Zwei-Städte-Instituts. Auch für die zweite Auftragsarbeit des Berliner Komponisten und Librettisten Marius Felix Lange wurde an nichts gespart. Die Duisburger Philharmoniker in großer Besetzung, ein mit Spitzenkräften durchsetztes Gesangsensemble, hinreißende Bühnenbilder und aufwändige Kostüme sowie eine technische Maschinerie, die nahezu alles an Schneegestöber und Nebelschwaden aufbietet, was ein Theater an Illusionskraft leisten kann. Das verfehlt nicht seine Zugwirkung, wie die Uraufführung im ausverkauften Duisburger Theater zeigt.

Die Schneekönigin, eine Familienoper nach dem berühmten Märchen von Hans Christian Andersen, heißt das neue Projekt. Wie bereits bei Langes erster Oper für die Deutsche Oper Rhein, Das Mädchen, das nicht schlafen wollte, handelt es sich um eine Koproduktion mit der Oper Dortmund. Die Handlung um Gerda, die ihren Bruder Kay aus den Fängen der bösen Schneekönigin befreien will, was ihr nach etlichen Abenteuern mit Trollen, Räubern, Prinzen und Tieren auch gelingt, ist weitgehend bekannt. Lange orientiert sich in seinem Libretto recht genau an der Vorlage und erzählt eine Geschichte von zarter Poesie und feinem Humor ohne plakativen Klamauk und verkrampft naiver Betulichkeit. Alles eingehüllt in ein Klangbad von filmreifer Schönheit, angereichert mit einigen dissonanten Akzenten: musikalisch insgesamt eine gelungene Gratwanderung zwischen romantischer Traumwelt und harter Realität. Raffiniert die bizarren Klänge in der Eiswüste, leicht parodistisch die Anspielungen an italienische Gefühlswallungen in der Szene des Prinzenpaares. Und das alles adäquat inszeniert von Johannes Schmid mit feinfühliger Hand.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Ohne die Gesamtleistung schmälern zu wollen, verdient die Leistung der Bühnen- und Kostümbildnerin Tatjana Ivschina besondere Aufmerksamkeit, die seit Jahren, meist zusammen mit Schmid, mit bestrickender Fantasie und Hingabe die Produktionen der Jungen Oper nicht nur illustriert, sondern entscheidend belebt. Ob die Eiswüste der Schneekönigin oder das pittoreske Reich der Blumenfrau mit wunderschön kostümierten Blumenmädchen: Für jede Szene findet Ivschina überraschende und fantastische Lösungen.

Foto © Hans-Jörg Michel

Dass die Deutsche Oper am Rhein die Kinder- und Jugendoper nicht auf die leichte Schulter nimmt, zeigt sich nicht zuletzt an dem musikalischen Aufwand mit großem Orchester und erstklassigen Kräften des Ensembles. Adela Zaharia bringen die exponierten Töne der eiskalten Schneekönigin nicht in Verlegenheit. Heidi Elisabeth Meier zeigt eine eindrucksvolle Rollenstudie der Gerda, Dmitri Vargin lässt als Kay seinen mächtigen Bariton ertönen und Susan McLean überzeugt in der Doppelrolle als Großmutter und der finnischen Lappin. Großes Vergnügen bereitet das Troll-Trio mit Annika Boos, Conny Thimander und David Jerusalem. Nichts auszusetzen gibt es auch am Rest des Ensembles und dem symphonischen Wohlklang der Duisburger Philharmoniker unter Leitung von Lukas Beikircher. Studenten der Düsseldorfer Robert-Schumann-Musikhochschule bilden einen anmutigen Bewegungschor mit einem besonders prächtig arrangierten Blumentanz.

Wie nachhaltig die Produktion wirken kann, zeigt die geballte Konzentration, mit der ausnahmslos alle Besucher der Uraufführung, auch die Jüngsten, dem bunten Geschehen neunzig pausenlose Minuten gebannt folgen. Für die älteren Besucher ist die Übertitelung der deutsch gesungenen, allerdings nicht immer verständlichen Texte hilfreich. Die Kleinsten können sich an der spannenden Handlung, der pittoresken Ausstattung und der Musik erfreuen. Eine vorherige Lektüre des originalen Andersen-Märchens im Familienkreis ist auf jeden Fall ratsam.

Begeisterter Beifall für einen weiteren Erfolg der Deutschen Oper am Rhein im Ringen um ein neues und junges Publikum.

Pedro Obiera