Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Wonge Bergmann

Aktuelle Aufführungen

Klangmagie vom Allerfeinsten

RÉPONS
(Pierre Boulez)

Besuch am
16. September 2016
(Premiere)

 

Ruhrtriennale, Kraftzentrale
Landschaftspark Duisburg-Nord

Mit dem Tod von Pierre Boulez im Januar dieses Jahres verließ einer, wenn nicht der feinsinnigste Klangsensualist unserer Tage die Bühne der musikalischen Avantgarde. Dass der inzwischen abgeklärte und reife Klangmagier in den 1960-er und 70-er Jahren mit militanter Aggressivität knochentrockene Reihen- und serielle Techniken gegen Abweichler aller Art verteidigte, ist das Zeugnis eines von ihm selbst eingesehen Irrtums. Von der Wucht, mit der er damals die Direktiven der Avantgarde dogmatisch bestimmte, zeugen kluge Briefwechsel mit John Cage und hässliche Ausfälle gegen Bernd Alois Zimmermann und Hans Werner Henze.

Mit der Gründung des Ensembles Intercontemporain und des elektronischen Forschungszentrums IRCAM in Paris brachen neue Zeiten an und Boulez entdeckte auch sinnliche Seiten der Musik. Eines der frühesten und beeindruckendsten Zeugnisse dieser Metamorphose ist das Klangstück Répons aus dem Jahre 1985, in dem er raumklangästhetische Prinzipien, wie sie Karlheinz Stockhausen schon seit mehr als 20 Jahren erprobt hat, mit elektronischen Techniken mischte. Das Ergebnis ist heute noch frappierend, wenn es mit geradezu authentischer Reinheit und Souveränität erklingt wie jetzt im Rahmen der Ruhrtriennale, als die schöpferischen „Kinder“ Boulez‘, also das Ensemble Intercontemporain und die Elektroniker des IRCAM unter Leitung des mit Boulez eng vertrauten Komponisten Matthias Pintscher in der gewaltigen Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks Nord das 45-minütige Werk gleich zwei Mal an einem Abend zu Gehör bringen.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Mit der Gründung des Ensembles Intercontemporain und des elektronischen Forschungszentrums IRCAM in Paris brachen neue Zeiten an und Boulez entdeckte auch sinnliche Seiten der Musik. Eines der frühesten und beeindruckendsten Zeugnisse dieser Metamorphose ist das Klangstück Répons aus dem Jahre 1985, in dem er raumklangästhetische Prinzipien, wie sie Karlheinz Stockhausen schon seit mehr als 20 Jahren erprobt hat, mit elektronischen Techniken mischte. Das Ergebnis ist heute noch frappierend, wenn es mit geradezu authentischer Reinheit und Souveränität erklingt wie jetzt im Rahmen der Ruhrtriennale, als die schöpferischen „Kinder“ Boulez‘, also das Ensemble Intercontemporain und die Elektroniker des IRCAM unter Leitung des mit Boulez eng vertrauten Komponisten Matthias Pintscher in der gewaltigen Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks Nord das 45-minütige Werk gleich zwei Mal an einem Abend zu Gehör bringen.

Foto © Wonge Bergmann

Ein Orchesterkern mit 24 Streichern und Bläsern repräsentiert das akustische und optische Zentrum, um das sich das Publikum gruppiert. Den äußeren Rahmen bilden sechs Solisten an zwei Klavieren, einem Cimbalom, einer Harfe und zwei Stabspielen. Sowohl das Orchester als auch die Solistengruppe entwickeln virtuos zirkulierende und extrem fein verästelte Klanggirlanden von geradezu sinnlicher Schönheit. Dabei rotieren die Klänge nicht nur durch den Gesamtapparat, sondern verästeln sich innerhalb der einzelnen Gruppen. Zum ästhetischen Genuss tragen auch die unaufdringlich und kaum als solche wahrnehmbaren elektronischen Einwürfe und Mixturen bei, die dem Klangerlebnis geradezu irreale, entmaterialisierte Züge verleihen.

Frappierend, mit welcher Selbstverständlichkeit die Musiker einschließlich des Dirigenten die extrem schwierige und komplexe Partitur zum Klingen bringen. Wie Stockhausens Carré wird auch Répons zwei Mal vorgetragen, wobei das Publikum verschiedene Plätze einnehmen soll. Natürlich ergeben sich dadurch unterschiedliche Höreindrücke. Besonders auffällig der eher weiche, verhaltene Klang auf den Plätzen hinter dem Orchester, der sich im Frontbereich erheblich verhärtet.

Begeisterter Beifall für ein brillantes Zeugnis der „klassischen“ Avantgarde. Das im Wesentlichen bis zum Schluss der zweistündigen Aufführung ausharrende Publikum hält es freilich nach dem zart verlöschenden Schluss nicht aus, mit dem Beifall bis zum Aufleuchten des Saallichts abzuwarten.

Pedro Obiera