Kulturmagazin mit Charakter
Aktuelle Aufführungen
LIVING HAPPILY EVER AFTER
(KimchiBrot Connection)
Besuch am
2. Dezember 2016
(Premiere)
Vom 1. bis 3. Dezember sind in der Kasernenstraße die Ergebnisse der Produktionsreihe West off, einer Kooperation von Studiobühne Köln, Theater im Ballsaal Bonn und eben dem Forum Freies Theater Düsseldorf, zu sehen. Erklärtes Ziel ist, jungen Künstlern – also solchen, die in den letzten Zügen ihres Studiums liegen oder das Studium jüngst beendet haben – eine Produktionsmöglichkeit und eine Bühne zu bieten sowie dem Publikum einen Blick in das Theater der Zukunft zu ermöglichen. Zu sehen sind drei Stücke, die von den drei Häusern in einem Bewerbungsverfahren ausgewählt wurden.
Erste besuchte Vorstellung ist Living happily ever after, in der Übersetzung etwa „Glücklich bis zum Ende leben“, das in Köln produziert wurde. Entwickelt hat das Stück über Beziehungsmodelle KimchiBrot Connection. Dahinter stecken Constantin Hochkeppel, Elisabeth Hofmann und Laura N. Junghanns, die ihr Studium an der Folkwang-Universität Essen im März dieses Jahres beendet haben. Während Junghanns Regie studiert hat, haben Hofmann und Hochkeppel den Studiengang Physical Theatre absolviert. Der Studiengang ist in Deutschland einmalig, hat sich historisch aus der Pantomime entwickelt und setzt sich heute zum Ziel, möglichst umfassend geschulte Schauspieler auszubilden, die auch in der Lage sind, eigene Stücke aus ihren Lebenswelten zu entwickeln und diese umzusetzen.
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Gute Voraussetzungen also für einen unterhaltsamen Abend. Der beginnt erst einmal in Dunkelheit. Aus dem Off ist eine weibliche Stimme zu hören, die die Wertvorstellungen von Familie früherer Zeiten beschreibt. Auf der Bühne wird ein Haufen Tüll erkennbar, der sich zu einem Brautkleid entwickelt, als Elisabeth Hofmann sich langsam erhebt. Sie bewegt sich ruck- oder marionettenhaft über die Bühne und bewegt die Lippen synchron zu einem Liebessong, der ebenfalls wieder aus dem Off eingespielt wird. Mit ähnlich ruckhaften Bewegungen gesellt sich Christian Hochkeppel in einem Fantasie-Offizierskostüm hinzu. Pantomimisch stellen die beiden den idealtypischen Verlauf einer Familienentwicklung dar, die es so auch in der Vergangenheit vermutlich nur in der schönen heilen Welt des Films gegeben hat. Aber es ist ohne weitere Hilfsmittel herausragend gespielt und bringt die Laune im Publikum gleich zu Beginn ganz nach oben.
Mit dem Wechsel in die „Gegenwart“ streifen die Schauspieler auch die Kostüme von Bartholomäus Martin Kleppek ab. Sie im Unterkleid und er in Hose und T-Shirt lernen sich vielleicht in einer Diskothek kennen, verlieben sich zögerlich. Immer begleitet von einer fantasievollen und überraschenden Bewegungssprache. Da nimmt es nicht Wunder, dass sie zueinander finden. Und es hätten wieder die alten Beziehungsmuster werden können, wenn sie nicht auf die Idee käme, eine offene Beziehung zu propagieren. Aus seiner Sicht eine absurde Idee, die er sogleich übersteigert, indem er mit Menschen im Publikum anbandelt. Das Ende vom Lied ist ein Beziehungsvertrag, wiederum großartig pantomimisch vertanzt. Danach stürzt er sich in einen Veitstanz der Eifersucht, aus dem sie ihn schließlich erlöst. Mit einer Aufzählung von Namen, die vermutlich das Funktionieren des „offenen Modells“ versinnbildlichen soll, endet das einstündige Stück.
Mit minimalem Requisiten- und maximalem Körpereinsatz, eindrucksvollen Ideen und durchweg begeisterndem Handwerk zeigen Hochkeppel und Hofmann, warum niemand anders als sie an diesem Abend auf der West-off-Bühne stehen. Sie zeigen, dass es auch jenseits technologischer Entwicklungen noch Neuerungen im theatralischen und damit im menschlichen Bereich gibt. Es braucht nur genug Fantasie, darauf zu kommen.
Bedenklich stimmt eher die Arbeit der betreuenden Produktionsstätte und der Mentorin, die dem Kollektiv eigens zur Seite gestellt wurde. Da sind Profis am Werk, von denen man erwarten würde, dass sie grobe Schnitzer vermeiden helfen, die zwar auf dem Papier noch wie eine gute Idee aussehen, von denen man aber in der Praxis weiß, dass sie nicht funktionieren. Da verschwindet er minutenlang im Publikum, während sie auf der Bühne herumsteht und in ihrer Verzweiflung schließlich beginnt, sie aufzuräumen. Oder Scheinwerfer werden völlig unnötig so eingerichtet, dass sie das Publikum massiv blenden, ohne dass damit der Handlung in irgendeiner Form gedient wäre.
Das Publikum sieht darüber hinweg und bedankt sich ausgiebig für einen fantasievollen, überraschenden Abend, den man so nicht jeden Tag erlebt.
Michael S. Zerban