Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Mats Bäcker

Aktuelle Aufführungen

Stilechter Mozart

DON GIOVANNI
(Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
21. August 2016
(Premiere am 13. August 2016)

 

 

Schlosstheater Drottningholm

1766 wurde das Schlosstheater von Drottningholm fertiggestellt und feiert dieses Jahr 250. Geburtstag. Somit kann man dieses Theater zum Zeitzeugen Wolfgang Amadeus Mozarts und sicherlich als zeitgenössischen Aufführungsort benennen. Viele Jahre diente es als Lagerraum und war vergessen, bis im letzten Jahrhundert das architektonische Juwel wieder erstrahlte. Es ist ein Vertreter der typischen barocken Theater, die an vielen adeligen Höfen und Schlössern existierten und das kulturelle Leben jener Zeiten bestimmten.

Die Anreise per Schiff zur Opernaufführung ist zu empfehlen. Gemütlich schippert man am Ufer des Mälarensees entlang und lässt die Großstadt Stockholm hinter sich. Idyllisch liegt die Schlossanlage Drottningholm – zu Deutsch das Schloss der Königin – am Rande der Stadt, umgeben von einer prachtvollen Parkanlage mit ausladenden Bäumen und vermoosten Teichen. Gefangen von den Naturschönheiten, kommt man entspannt und befreit vor dem einfachen Gebäude des Schlosstheaters an. Diener in barocken Gewändern schwirren herum, verkaufen Programme und helfen dem internationalen Publikum in typisch schwedischer Ungezwungenheit.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Eine kurze Einführung zur Geschichte des Schlosses lässt die Spannung steigen, und dann wird man in das Theater eingelassen. 450 Personen passen eng auf die aufgereihten, gepolsterten Bänke. Ein schmaler Streifen zwischen Bühne und Zuschauerraum dient dem dicht besetzten Orchester. Alles wirkt sehr nah, es herrscht eine Intimität, ein persönliches Hinzugezogensein.

Foto © Mats Bäcker

Regisseur Ivan Alexandre hat auf der Bühne auf einem Podest eine an die barocke Bühnengestaltung angelehnte Bühne mit mehreren Vorhängen geschickt nachempfunden. Langsam erlöscht das Licht, gespendet von flackernden Glühbirnchen. Mit viel Beifall wird der anerkannte Mozartspezialist Mark Minkowski begrüßt und außerordentlich schwungvoll setzt er gleich zur Ouvertüre an. Das Orchester der Schlossfestspiele gilt als eines der ältesten Ensembles auf Originalinstrumenten, und der barocke weiche Klang der Streicher und volle satte der Bläser ist in diesem Ambiente von besonderer Wirkung. Der Raum scheint sich mit der Musik wahrlich aufzufüllen und eine harmonische Einheit zu bilden.

Schon während des Vorspiels wird auf der Bühne agiert. An den Bühnenseiten sind Schminktische aufgestellt, und die Sänger bereiten sich in ihren einfachen, historischen Kostümen auf den Auftritt vor. Flott beginnt dann deren Spiel. Nicht nur gesanglich sind sie vom Tempo her gefordert. Statik oder Ruhe kennt diese Inszenierung nicht. Gestenreich mit viel Bewegung ist die Personenregie gestaltet, mitreißend spannend und unterhaltsam.

Robert Gleadow als Leporello steht im Vordergrund mit seiner kräftigen, vollen, dunkeltimbrierten Baritonstimme. Immer wieder darf er sich seiner Kleider entledigen, zeigt dabei seinen mit den Namen der Geliebten Don Giovannis übersäten Körper und ist dabei selbst kein Kostverächter. Jean Sebastian Bou bleibt da mit seinem Don Giovanni als Weiberheld im dramatischen Spiel gefordert. Mit einfachen Mitteln werden aus den Vorhängen wechselnde Schauplätze gestaltet, so dass der Erzählfluss nie unterbrochen wird und die Geschichte nicht an Dynamik verliert. Als Zuschauer fühlt man sich in dem kleinen Theaterraum ganz nah am Geschehen und von der Musik durchflutet. Ein Gefühl, wie es in den großen Opernhäusern nicht aufkommt. Auch das Orchester wird in die Regie miteinbezogen, und Musiker kommen auch auf die Bühne. Ana Marie Labin bleibt als Donna Anna zurückhaltend, während Marie Adeline Henry mit ihrer Donna Elvira es den beiden Herren nicht einfach macht und stimmlich mit ihrem robusten Mezzo den Intrigen Don Giovannis entgegensteht. Formschön gelingt Stanislas de Barbeyrac die Arie des Don Ottavio, ein weicher lyrischer Tenor mit Potenzial. Mit vollem Bass fängt Krzysztof Baczyk als Commendatore den Uneinsichtigen mit seinem Umhang ein, und der Draufgänger verschwindet in der Mitte der gedeckten Tafel.

Noch einmal sammelt sich das Ensemble zu einem glorreichen Schlussgesang. Diesem schließt sich das begeisterte Publikum mit einem freudigen und herzhaft heftigen Applaus an. Draußen vor der Tür taucht der Park in eine farbenreiche Abendstimmung und entlässt die glücklichen Zuschauer wieder in die heile Welt. Dieser Ausflug ist ein Gesamtkunstwerk aus Natur und Kunst und lässt sich einen Opernabend vor 250 Jahren lebendig vorstellen.

Helmut Pitsch