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Alle Fotos © Michael Hudler

Aktuelle Aufführungen

Derb-spaßiger Klamauk

DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN
(Leoš Janáček)

Besuch am
26. November 2015
(Premiere)

 

 

Staatstheater Darmstadt

Leoš Janáček hatte weder Vorgänger noch Nachfolger. Form und Ausdruck seiner Tonsprache gründen auf der Umwandlung der Sprache in Mikro-Motiv-Organismen, um individuelle emotionale Empfindungen, sachliche Zustände und Atmosphärisches zu beschreiben. Hinzu kommen innere Beweggründe, zum Beispiel seine Liebe zu der achtunddreißig Jahre jüngeren Kamilla Stösslová, und sein unverrückbarer Glaube an den Funken Gottes in jedem Menschen, der seine Meisterwerke kennzeichnet. Sein ästhetisches Credo formulierte er selbst so: „Ich dringe mit der Wahrheit durch. Bis ans Äußerste. Wahrheit schließt Schönheit nicht aus. Im Gegenteil: von beidem immer mehr. Vor allem aber Leben, ständige ewige Jugend!“. Davon erzählt der damals bereits 70-jährige Komponist in seiner wohl schönsten Oper Die Abenteuer der Füchsin Schlaukopf, die 1924 in seiner Heimatstadt Brünn uraufgeführt wurde.

Seit der deutschen Erstaufführung in Max Brods Bearbeitung trägt dieses Werk den Titel Das schlaue Füchslein. Im Mittelpunkt stehen eine Füchsin, ein Förster und die Natur. Es geht um den ewigen Kreislauf von Geburt, Leben und Vergehen, in den alle eingebunden sind, Schopfhenne, Grille, Heuschreck, Frosch und was sonst im Wald herumkriecht. Dieser oberflächliche Blick suggeriert trügerisch märchenhaftes Idyll. Daher wird diese Tierfabel gerne als Märchenoper für Kinder präsentiert. Dirk Schmeding, Regisseur der Darmstädter Inszenierung, will diese nostalgische Facette nicht ausklammern und belegt seine Sicht mit keinerlei Berührungsangst mit Hummelfigurenkitsch, wenn er seine Waldkinder über die Bühne schickt. Frank Lichtenberg verarbeitet in seinen Kostümen dafür viel Fuchspelz und andere Requisiten, um die Tierwelt in Menschengesicht schillernd auszustatten. Doch schon die erste Aktion auf der Bühne irritiert. Eine rasante Videoinstallation vor dem Fuchsbauloch hetzt den Blick des Zuschauers durch einen imaginären Wald. Die junge Füchsin, vor allem als Projektionsfläche unerfüllter Sehnsüchte des Försters gedacht, mutiert zum Revolten-Flintenweib zwischen Rebellion und Geschlechterkampf. Dazwischen kopuliert sich, was immer in Bewegung gerät und nicht gerade noch im Kindesalter ist.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Im Interview sagt Dirk Schmeding, dass Janáček keinen Platz für musikalische Geschwätzigkeit biete und die Kernaussage zwischen den Zeilen stehe. Was ihn interessiere, sei die Verdichtung hinter dem poetischen Idyll. Doch statt einer Konzentration darauf entfesselt er eine Flut banalster Bilder und Szenarien. Seine Füchsin möchte er als Verkörperung für den Geschlechterkampf, die Beherrschbarkeit und Zerstörung der Natur, für amoralisches Verhalten und Freiheit und immer wiederkehrende Jugend sehen. In diesem Umfeld zeigt er den Blick auf den Menschen, der zur animalischen Kreatur in einer durch moralische Zwänge und Engen deformierten Gesellschaft wird. Schmedings Gedankenansatz ist klar und spannend, seine Umsetzung reizt jedoch bestenfalls zu Lachern.

Fuchsmutter Simone Rabea Döring und Lotta Unger als junges Füchslein Spitzohr - Foto © Michael Hudler

Wirklich Glaubwürdiges dringt nur aus dem Orchestergraben. Mit geschlossenen Augen purer Genuss. Will Humburg stellt das Staatsorchester Darmstadt ganz in den Dienst der Musik. Janáčeks Tonsprache ist dramatisch, Erregung pur, stimmungs- und empfindungsreich, ein in Klänge übersetzter Sprachfluss, der die menschliche Stimme als Instrument einbezieht und den Blick in die Seele der Natur eröffnet. In diesen Momenten auch unüberhörbar Janáčeks Nähe zu Richard Strauss, besonders deutlich bei den Worten der Füchsin „Kann es wahr sein, dass ich so schön bin“ oder am Ende, wo kein banales Bild den Blick irritiert und die Jagdhörner den Schlussmonolog einleiten.

Zum Schlussapplaus füllt sich die Bühne. Chor und Kinderchor sind von Thomas Eitler-de Lint und Ines Kaun bestens eingestimmt und meistern ihre dankbaren Partien ausgewogen und mit spürbarer Spiellust. Die vielen kleinen Solopartien sind durchweg gut besetzt. Jana Baumeister in der Rolle des Füchsleins genießt spürbar die Verkörperung des Aufbegehrens und hat dennoch bei so viel Aktionismus wenig Raum zur Gestaltung. David Pichlmaier verliert sich überzeugend in der Ausdruckslosigkeit des Försters. Michael Pegher erntet mit der klischeehaften Verkörperung des Schulmeisters viele Lacher. Thomas Mehnert als Haraschta punktet beim Publikum, wenn er im Unterwäscheoverall eines verkommenen Cowboys nach seinem gezielten Abschuss der Füchsin gleich zwei Mal „Ach, du Scheiße“ vor sich hin raunte. Diese Worte hat ihm Werner Hintze, verantwortlich für die deutsche Übersetzung der Darmstädter Aufführung, in den Mund gelegt. Das Publikum hat seinen Spaß.

Christiane Franke