Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Barbara Braun

Aktuelle Aufführungen

Fast ohne Selbstmitleid

QUARTETTO
(Ronald Harwood)

Besuch am
22. Juni 2016
(Premiere)

 

 

Renaissance-Theater, Berlin

Für Opernfans weltweit war der Film Quartet ein Muss.  Schon allein, weil es um alternde Opernsänger und Musiker ging und Dame Gwyneth Jones darin auftrat.  Nun wird das 1999 von Ronald Harwood geschriebene Theaterstück in Berlin erstmals aufgeführt.  Vier echte Opernsänger haben sich bereit erklärt, in diesem Schauspiel mitzuwirken: René Kollo, Karan Armstrong, Victor von Halem und Ute Walther – allesamt haben in ihrer Zeit Operngeschichte geschrieben. Jetzt sind sie in ihren 70-ern sowohl im echten Leben wie auf der Bühne in dieser bittersüßen Komödie über das Älterwerden und das damit verbundene Zurechtkommen.

In einem der berühmten Casa Verdi nachempfundenen Altersheim für Musiker, haben sich drei Opernsänger eingerichtet. Es darf über alles geredet werden, vorausgesetzt nur KSM – Kein Selbstmitleid – und auch keine Fragen nach der Gesundheit oder Zukunftsplänen. Jeder kennt den anderen bis ins kleinste Detail – René Kollo beweint als Tenor, dass er nie die Gelegenheit hatte Tristan oder Siegfried zu singen, Karan Armstrong driftet oft ab in ihre eigene Sopranistinnen-Welt, hört sich unentwegt ihre eigenen Aufnahmen an, Victor von Halem, der Bass, gibt vor, sexsüchtig zu sein, und bemüht sich rührend um die Sopranistin.  Das tägliche Leben hat einen angenehmen Rhythmus im minimalistisch eingerichteten Musikzimmer, und man bereitet sich darauf vor, eines Tages dem ewigen „Engelschor“ anzugehören.  Kleine Bosheiten und Sticheleien gehören ebenso dazu wie nostalgische Rückblenden. 

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Und dann kommt eine „Neue“ – Altistin Ute Walther. Die Bombe platzt, als sich herausstellt, dass sie die Ex-Frau des Tenors ist und eigentlich noch immer seine heimliche Liebe.  Um den Geburtstag von Giuseppe Verdi zu feiern, fragt die Direktion des Altersheims an, ob sie bereit wären, da Rigoletto, Gilda, Ducca und Maddalena jetzt wieder zusammen sind, das berühmte Schlussquartett aus Verdis Rigoletto für die jährliche Benefiz-Gala zu singen. Nach vielem Zögern und Zweifeln willigen sie ein – immerhin hatten sie eben diese Oper gemeinsam einstudiert und sehr erfolgreich auf Platte herausgebracht. Und ja, sie singen wirklich!  Musikalität, Technik und Ausstrahlung verlernt man einfach nicht. Alle Achtung! Herbert Schäfer und Vasilis Traintafillopoulos sorgen mit hohen Spiegelwänden und einem Rundprospekt der Mailänder Scala für eine atmosphärische Wandlung der Bühne.

Foto © Barbara Braun

Der sängerische Höhepunkt ist aber nicht die einzige musikalische Einlage. Regisseur Torsten Fischer hat diverse, zur Geschichte passende Chansons und Musical-Lieder für seine Charaktere ausgesucht.  Dabei singt, zum Beispiel, Ute Walther Falling in love again bei ihrem ersten Auftritt und La Mer von Charles Trenet eher als Blues. So können die Sänger beiläufig ihre Charaktere vertiefen, und es wird von den allzu banalen Texten abgelenkt. Ganz vorzüglich in allen Genres: Harry Ermer am Flügel, der auch die musikalische Leitung hat.

Was eine Aneinanderreihung von Klischees und Plattitüden sein könnte – und ja, Autor Harwood bedient sich reichlich bei den Themen Älterwerden, was ist Kunst, Diven-Allüren, Auftrittsängste, Affären und so weiter – wirkt sehr realitätsnah aus dem Munde der echten Opernsänger. Ob dieser Effekt ein Resultat der Arbeit mit dem Regisseur oder natürliches Schauspieler-Talent der Darsteller ist, sei dahingestellt. Die kleine Bühne des Renaissance-Theaters ermöglicht eine Intimität zwischen Darsteller und Publikum, die es auf einer größeren Bühne einfach nicht geben kann. Wenn sich dann auch noch Karan Armstrong auf eine Rampenstufe setzt und über ihr Leben sinniert, dann plaudert sie direkt mit dem Publikum.

Ein nostalgischer, liebenswerter Abend, von dem überwiegend selber weißhaarigen Publikum lautstark und warm gefeiert. 

Zenaida des Aubris