Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Iko Freese

Aktuelle Aufführungen

Ausflug in die Fantasie

PETER PAN
(Richard Ayres)

Besuch am
6. November 2016
(Premiere)

 

 

Komische Oper Berlin

Peter Pan, die berühmte Klassikererzählung vom Jungen, der nicht erwachsen werden möchte, hat seit ihrem Erscheinen 1904 als Theaterstück, als Musical und im Film Generationen von jungen Menschen in seinen Bann gezogen. Nur die Oper hat er erst spät erobert, um genau zu sein 2013, als der Brite Richard Ayres den Stoff als gemeinsames Auftragswerk für die Oper Stuttgart und die Komische Oper Berlin vertonte. Diese wiederum kooperierte für die zweite szenische Umsetzung mit der Welsh National Opera. Nach der dortigen Premiere im vergangenen Jahr wird diese Produktion jetzt, einstudiert vom gleichen künstlerischen Team, in Berlin gezeigt.

Der Aufwand, den Regisseur Keith Warner, Bühnenbildner Jason Southgate, Kostümdesigner Nicky Shaw und ihre Mitstreiter, darunter sogar ein Flug- und Kampfkoordinator, betreiben, ist beträchtlich. Der Beginn versetzt in ein historisches Ambiente mit vielen liebevollen Details.  

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Im Vordergrund kurvt nicht nur eine putzige Eisenbahn auf Schienen von einem Tunnel in den nächsten, sondern auch Angestellte an ihren Arbeitspulten fahren vorbei und von der Seite eine Hundehütte herein. Im Zentrum befindet sich das stilvoll eingerichtete Schlafzimmer der drei Darling-Sprösslinge, die von Kinderfrauen, gekleidet wie Mary Poppins, umsorgt werden: ein viktorianisches Minipanorama. Es weitet sich ins Fantastische, wenn Peter Pan erscheint und mit den Kindern in seine Welt, das Nimmerland, fliegt – eine staunenswerte magische Zirkusnummer, wenn die vier an unsichtbaren Schnüren durch die Luft schweben. Kurzum: Es ist ein riesiges optisches Vergnügen, dass man hier geboten bekommt und das sich mit einem veritablen Piratenschiff im zweiten Teil fortsetzt.  

Foto © Iko Freese

Die Komposition von Richard Ayres ist gemäßigt modern und dabei ausgesprochen farbig und illustrativ. Zirkusmusik klingt an, schnittige Rhythmen entfalten Drive, Schlagzeuggewitter sorgt für Dramatik und für Wendy gibt es ein feines lyrisches Solo. Auch der Kinderchor, von Dagmar Fiebach in beste Form gebracht, ist mit einer Reihe von Songs gut beschäftigt. Doch die ambitionierte Partitur macht noch keine kindgemäße Oper, zumal Anthony Bramall mit dem Orchester der Komischen Oper solche Phonstärken entwickelt, dass die Singstimmen so manches Mal untergehen und der Text nur selten zu verstehen ist. Zudem ist die Gewichtung der beiden Akte unausgewogen. Nach dem nur gut 30-minütigen ersten, dauert der zweite nach der Pause über eine Stunde, und er transportiert außerdem noch so viel Inhalt, dass sich der Zusammenhang nur schwer erschließt.

Doch die Solisten überspielen solche Widrigkeiten mit Spiellust und vokaler Energie, allen voran Mirka Wagner als Wendy, der Countertenor Eric Jurenas als Peter Pan und solch gestandene Ensemblemitglieder und ausgewiesene Singdarsteller wie Ashley Holland als Vater und Captain Hook oder Christiane Oertel als Mutter und Tiger Lily.

Heftiger Beifall in der ausverkauften Premiere, aber auch manche kritische Stimme: „Es war zu laut“.

Karin Coper