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Foto © Iko Freese

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Cleopatra von der Spree

DIE PERLEN DER CLEOPATRA
(Oscar Straus)

Besuch am
3. Dezember 2016
(Premiere)

 

 

Komische Oper Berlin

Cleopatra ist unzufrieden. Sie hat zwar Macht und Reichtum, aber die große Liebe fehlt ihr. Minister Pampylos intrigiert ein bisschen und versucht, sie mit dem persischen Prinzen Beladonis zu verkuppeln, doch da erscheint der Römer Silvius. Cleopatra ist höchst angetan von ihm. Um den bereits mit der Hofdame Charmian Verlobten zu angeln, muss sie allerdings ein bisschen nachhelfen. Und greift zu ihren Perlen, die für sie zugleich Schmuck, Badezusatz und aufgelöst auch Aphrodisiakum sind. Doch der Richtige ist Silvius nicht, das stellt Cleopatra nach der Bewältigung von Naturkatastrophen und Putschversuchen fest.

Aber er kommt am Ende doch noch. Es ist der Feldherr Marc Anton, der von ihr genauso angetan ist wie sie von ihm. Also genehmigen sie sich zusammen ein Bier und verschwinden in einem Sarkophag. Was ziemlich verquer klingt, ist in etwa die Handlung der Operette Die Perlen der Cleopatra, die Oscar Straus 1923 für das Theater an der Wien komponierte. In etwas veränderter Form erschien sie ein Jahr später am Berliner Metropol, glanzvoll besetzt mit Fritzi Massary, Richard Tauber und Hans Albers, und ist nun nach langer Abwesenheit erneut in der Hauptstadt zu besichtigen. An der Komischen Oper, wo seit zwei Jahren eine andere Operette von Oscar Straus, die musikalische Komödie Eine Frau, die weiß, was sie will, den Spielplan bereichert. Damals reduzierte Hausherr Barrie Kosky das 30-Personen-Stück radikal und funktionierte es zu einem hinreißenden, perfekt getimten Kammerspiel um, in dem die beiden Hausstars Dagmar Manzel und Max Hopp sämtliche Rollen übernahmen. In Die Perlen der Cleopatra schlägt Kosky den gegensätzlichen Weg ein, scheut nichts an Aufwand und Personal und zeigt damit einmal mehr, wie vielfältig seine Regiehandschrift ist.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Die Kulisse von Rufus Didwiszus, bestehend aus unterschiedlich gemusterten Schiebewänden in Schwarzweiß, hinter denen sich je nach Schauplatz Badewanne, Thronsaal oder Bett verbergen, ermöglichen schnelle Szenenwechsel, die Kostüme von Victoria Behr strotzen vor Fantasie und Ausstattungslust. Wenn etwa Cleopatra in einer perlenbestickten Robe vor einem riesigen Federflügel auftritt, gibt es spontanen Applaus. Barrie Kosky zeigt unter Einbeziehung von Rang und Parkett eine ganz große, schrille Revue, die keinen Witz und Showeffekt auslässt und mit Frivolitäten nicht geizt. Unterstützt wird er durch die mitreißende Choreografie von Otto Pichler, der die Tänzer bei jeder Gelegenheit über die Bühne wirbeln lässt. Gleichzeitig aber schimmern durch die turbulente Inszenierung die Lebensstationen von Oscar Straus, der nach Erfolgen in Wien und Berlin aufgrund seiner jüdischen Herkunft erst nach Paris und dann nach New York auswandern musste: Cleopatra berlinert, Charmian tritt als amerikanisches Revuegirl auf, der Hofmeister ist gebürtiger Franzose, es wird Wiener Walzer getanzt und Dagmar Manzel wünscht einmal „Le chaim“.

Foto © Iko Freese

Herrscherin über Ägypten und die Komische Oper ist uneingeschränkt Manzel. Mit ihr steht eine Vollblutdiseuse auf der Bühne, die lässig ihre Couplets und Pointen serviert, dafür eine unerschöpfliche Palette von Zwischentönen einsetzt, bruchlos vom Berliner Jargon in eine hoheitsvolle Sprache wechselt und gesanglich scheinbar immer besser wird. Johannes Dunz als persischer Prinz bestätigt einmal mehr seine Riesenbegabung im lyrischen Tenorfach und dass er auch eine komödiantische Ader hat. Dominik Köninger tritt als Liebhaber vom Dienst meist nur spärlich bekleidet auf, spielt aber seine Halbnacktheit ohne Peinlichkeit aus und singt dazu mit elegantem Bariton. Talya Lieberman, momentan noch Mitglied des Opernstudios, wirbelt als Charmian kess und mit allen Vorzügen einer exzellenten Soubrette ausgestattet, über die Bretter der Welt. Bei Dominique Horwitz ist der Wortwitz des Strippenziehers Pampylos bestens aufgehoben und Urgestein Peter Renz zeigt aufs Neue seine großen Qualitäten als Operettenbuffo.        

Nicht den geringsten Anteil am großen Erfolg hat Adam Benzwi, der die Originalpartitur nicht nur den vokalen Gegebenheiten der Mitwirkenden angepasst hat, sondern das Orchester der Komischen Oper mit so viel Schmiss und Stilgefühl durch Oscar Straus‘ spritzige Melodien und kabarettistischen Chansons führt und natürlich auch noch die Soloeinlagen am Klavier spielt, dass er zu Recht am Ende besonders gefeiert wird. Wie auch das Lindenquartett, wenn es nach Art der Comedian Harmonists als Einlage die verfremdete Priester- und Triumphszene aus Aida intoniert und damit ägyptisches Flair beisteuert.  

Begeisterung und viele Bravos für alle Beteiligten im restlos ausverkauften Haus.

Karin Coper