Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Christoph Broermann

Kommentar

Zurück vom Ring

Das Pay-TV-Unternehmen Sky bringt einen neuen Kulturkanal, Sky Arts HD, ans Netz und hat sich als erstes Großprojekt eine Weltpremiere ausgesucht: Die Live-Übertragung von Wagners Ring des Nibelungen von den Festspielen in Bayreuth. Was oft für die Inszenierungen bei den Festspielen gilt, trifft nun auch auf das ambitionierte Sendekonzept zu: Es muss dringend in die Werkstatt.
Der Splitscreen ist bekannt aus Sportübertragungen, in der Oper überzeugt er nicht. - Foto © Opernnetz

Größenwahn, Wagner und Bayreuth – diese Wortkette kann nun um einen Begriff erweitert werden: Sky. Das Pay-TV Unternehmen ist bislang vor allem durch die Übertragungsrechte für Sportveranstaltungen aller Couleur bekannt gewesen. Auch Serienjunkies und Filmfreunde finden hier reiche Auswahl. So traut man seinen Augen kaum, als auf dem neuen Kultursender, der am 21. Juli ans Netz geht, eine Weltpremiere angekündigt wird: Die Live-Übertragung von Wagners Tetralogie Der Ring des Nibelungen in der Inszenierung von Frank Castorf. Mutig ist noch eine vorsichtige Umschreibung für dieses Unterfangen eines Senders, der sich in dieser Sparte noch nicht bewähren konnte. Denn selbst lang erfahrene Programme wie 3Sat oder Arte haben das Potenzial von Opernübertragungen noch nicht umfassend ausgeschöpft.

Das Münchener Unternehmen Sky vertraut bei diesem Projekt auf seine altbewährten Pfade, Serien und Sport. Doch schon der Programmhinweis bringt den Kulturfreund zum Stirnrunzeln: Denn beispielsweise wird der Vorabend zum Ring so angekündigt: „Das Rheingold – Staffel 1, Folge 1.“ Offensichtlich sucht Sky die neuen Kulturzuschauer unter den Fans von Serien wie Game of Thrones, die mit diesen Jargons vertraut sind. Eine gewisse Ähnlichkeit der Genres ist natürlich nicht zu leugnen, aber ob man allem ein neues Etikett geben muss, ist fraglich. Bei Staffel 1, Folge 2, auch die Walküre genannt, fällt dann der kleine Etikettenschwindel auf: Denn so ganz live ist die ganze Übertragung nicht. Während im Orchestergraben Marek Janowski ziemlich pünktlich gegen 16 Uhr den Taktstock hebt, wie man auf diversen Radiosendern hören kann, beginnt Sky erst um 16:30 Uhr mit dem Vor- und Rahmenprogramm. Live-zeitversetzt nennt man dieses Format, und dann darf das auch so angekündigt werden.

Schnell glaubt man den Vorteil dieser Versetzung auszumachen. Denn dadurch könnte man die langen Pausen im Festspielhaus etwas auffangen und schließlich zeitgleich den Opernabend beenden. Doch Sky hat sich ein umfangreiches Rahmenprogramm einfallen lassen. Ehre, wem Ehre gebührt: Mit zahlreichen Gästen wird es nicht langweilig. Der Informationsgehalt ist hoch, vielleicht sogar zu hoch. Die Redaktion hat sich viel einfallen lassen, will die Festspiele, die Oper, Wagner zeitgemäß präsentieren. Allerdings muss man hinterfragen, ob man live sehen muss, wie ein ortsansässiger Tätowierer einem Gast ein Tattoo sticht. Auch Interviews mit dem Dramaturgen in der Sauna wollen nicht so recht zum Rahmenprogramm der Festspiele passen.

Umbesetzungen sind in Bayreuth nicht unüblich, Sky sollte diesbezüglich mal über einen neuen Moderator nachdenken. Axel Brüggemann gibt sich gut gelaunt und salopp, ein Strahlemann für eine dramatische Oper, vielleicht sogar passend zum im Ansatz frechen Regiekonzept von Frank Castorf. Offensichtlich ist diese Aufgabe eine Nummer zu groß für Brüggemann, der immer wieder den Faden zu verlieren scheint. Die Fragen an seine Gäste sind oft umständlich gestellt und wie man diese ausreden lässt, sollte man als Moderator auch wissen. Nur ein paar Beispiele: Bariton Ryan McKinny singt laut Brüggemann den Parsifal und nicht den Amfortas. Dem starken Einspringer Albert Pesendorfer gibt er den Vornamen Alberich, und in der Bühnenbildbeschreibung macht er aus der New Yorker Börse den Deutschen Reichstag. Die teilweise irritierten Reaktionen der Befragten sind Situationskomik pur. Das ältere Ehepaar, das nach der sexuellen Wirkung von Wagners Musik in der Walküre gefragt wurde, tut dem Zuschauer leid. Fragen aus dem Off wie „Kann ich jetzt gehen?“ erinnern an eine Sitcom.

Auch die Freunde der Sportübertragungen kommen auf ihre Kosten: Bei Gesprächen über die zuvor gesehene Halbzeit, pardon, über den zuvor gesehen Akt greift Sky zu der im Fußball bewährten Mode des Splitscreens, wo man die angesprochene Szene mit Ton (!) und die sprechenden Gäste gleichzeitig – sofern den Sinnesorganen möglich – verfolgen kann.

Kurzum: Sky hätte sich eben mehr am Theater orientieren müssen und nicht an Serien und Fußball. Nicht umsonst gibt es im Theater eine Generalprobe. So ambitioniert das Konzept auch ist, es hätte einen Probelauf gebraucht, an einer einzelnen Oper und nicht an einer derartigen Liveübertragung über mehrere Tage. Der Fluch des Rings macht auch vor dem Sender Sky nicht halt, und das merkt man allen Ecken und Enden. Die Teaser sind stellenweise laienhaft geschnitten. Da sind Ton und Bild um eine Sekunde verschoben – das ist schon im Gespräch unangenehm, während einer Oper ist das peinlich. Nicht das Fehler nicht menschlich wären, aber diese unrühmliche Präsentation eines Großprojektes wäre vermeidbar gewesen. Aber wie auch am Ende von Wagners Ring gibt es noch Hoffnung, dass sich der Werkstatt-Gedanke Bayreuths auch auf dieses Projekt anwenden lässt. Ein Bild bleibt allerdings positiv unvergesslich: Die versammelte Sängerschar, die nach der Götterdämmerung im Studio müde und glücklich in die Kamera strahlt.

Christoph Broermann

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